Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Anforderungen an die Mitwirkungspflicht zur Feststellung der Leistungsvoraussetzungen
Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs, wenn keine Bereitschaft zur Mitwirkung in Bezug auf eine weitere diesbezügliche Aufklärung besteht.
Orientierungssatz
Verweigert ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende im Rahmen eines Antrags auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung Angaben in einem dazu vorgesehenen Gesundheitsfragebogen und eine Schweigepflichtentbindung für ihre behandelnden Ärzte bzw. eine ärztliche Untersuchung, scheidet die Zuerkennung eines Mehrbedarfs im Regelfall aus, da das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen durch den Grundsicherungsträger nicht geprüft werden kann.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 29.12.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die vorläufige Zahlung (höherer) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Antragstellerin (ASt) bezieht vom Antragsgegner (Ag) Alg II. Sie bewohnte zunächst eine gemeinsame Wohnung mit ihrer Mutter, die im März 2015 verstarb. Der Ag wies diesbezüglich im Änderungsbescheid vom 30.03.2015 (Bewilligungsabschnitt März bis November 2015) darauf hin, dass die Unterkunftskosten nunmehr unangemessen seien und nur noch bis längstens zum 30.09.2015 in tatsächlicher Höhe anerkannt werden könnten. Die ASt habe sich um die Senkung der Unterkunftskosten zu bemühen und dies nachzuweisen. Angemessen seien Unterkunftskosten iHv 340 € zuzüglich kalter Nebenkosten und angemessener Heizkosten. Gleichzeitig wurden ab Oktober 2015 nur noch Bedarfe für Unterkunft und Heizung iHv monatlich 456 € berücksichtigt. In der Folgezeit bemühte sich die ASt nach eigenen Angaben erfolglos um eine angemessene Wohnung und legte dem Ag hierüber Nachweise vor. Für die Zeit von Dezember 2015 bis November 2016 bewilligte der Ag mit Bescheid vom 20.11.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.11.2015 Alg II unter Berücksichtigung des maßgeblichen Regelbedarfs, eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung iHv 131,67 € sowie von Bedarfen für Unterkunft und Heizung iHv 456 €. Einen Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.11.2015 wies der Ag mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2016 zurück. Am 16.03.2016 hat die ASt Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben (S 15 AS 112/16), mit der sie ua die Berücksichtigung der erhöhten Miete bis auf weiteres begehrt hat.
Am 18.03.2016 erfolgte die zwangsweise Räumung der Wohnung durch den Gerichtsvollzieher. Die ASt musste gleichzeitig in eine Klinik eingeliefert werden. Für die Zeit von April bis November 2016 berücksichtigte der Ag daraufhin keine Bedarfe für Unterkunft und Heizung mehr (Änderungsbescheid vom 22.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.2016). Dagegen hat die ASt Klage beim SG erhoben (S 15 AS 266/16).
Am 27.04.2016 wurde die ASt aus dem Bezirkskrankenhaus L-Stadt entlassen. Am 04.05.2016 beantragte sie die Übernahme von Kosten für eine Übernachtung in einem Hotel Garni iHv 47 € und teilte weiter mit, dass sie nunmehr ein Zimmer (A.P., A-Stadt) bewohne, für welches täglich 20 € anfallen würden. Entsprechend der vorgelegten Nachweise erkannte der Ag weitere Unterkunftskosten für die Zeit vom 27.04.2016 bis 08.05.2016 an, wies aber gleichzeitig daraufhin, eine Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung könne nur maximal in Höhe der Mietobergrenzen des Landkreises Aschaffenburg erfolgen (Änderungsbescheid vom 11.05.2016). Im Hinblick auf die Umlagerung und Einlagerung des Hausrates der ASt in zwei Containern erklärte der Ag gegenüber der Firma MH-Umzugsdienst (MH), die ASt könne sie mit der Durchführung beauftragen und einlagern. Rechnungen sollten an den Ag nach Ausführung geschickt werden. Im Rahmen weiterer Änderungsbescheide berücksichtigte der Ag sodann die durch Rechnungen für das Zimmer nachgewiesenen Unterkunftskosten bis zur Mietobergrenze (Mai 2016 iHv 458,97 € - zuletzt Änderungsbescheid vom 31.05.2016; Juni 2016 iHv 459 € - zuletzt Änderungsbescheid vom 04.07.2016; für Juli 2016 wurden mit Bescheid vom 12.07.2016 Unterkunftskosten iHv 148,10 € berücksichtigt, die weiteren Änderungsbescheide befinden sich nicht in den Akten des Ag).
Einen Antrag auf Übernahme von Kosten in Zusammenhang mit der Wohnungssuche, die die ASt zunächst mit 162,20 € bezifferte, sowie zur Einlagerung ihres Hausrates lehnte der Ag mit Bescheid vom 18.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2016 ab.
Am 09.09.2016 schlossen die Beteiligten vor dem SG einen Vergleich, wonach sich der Ag verpflichtete, für die Zeit von September bis einschließlich November 2016 auf entsprechenden Nachweis die Kosten der Einlagerung iHv monatlich 180 € z...