Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Beweis durch Sachverständigengutachten

 

Leitsatz (amtlich)

Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit.

 

Orientierungssatz

1. Sachliche Mängel eines Gutachtens rechtfertigen keine Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit. Eventuelle Unzulänglichkeiten treffen beide Parteien und können lediglich dazu führen, die Rechte des Prozessrechts in Anspruch zu nehmen, insbesondere ein neues Gutachten einzuholen.

2. Die inhaltliche Bewertung des Gutachtens obliegt dem entscheidenden Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) und kann nicht in ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit vorgezogen werden.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20. August 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. G. besteht.

Der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) begehrt im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg die Anerkennung weiterer Unfallfolgen im Bereich der Wirbelsäule und des rechten Kniegelenks (Arbeitsunfall vom 10. Juni 1989). Die Beklagte erhöhte mit Bescheid vom 8. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2010 zwar die bisher gewährte Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. ab 1. Oktober 2008 auf 30 v.H., lehnte jedoch die Anerkennung der Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und im Bereich des rechten Kniegelenks ab.

Das Sozialgericht hat zunächst mit Beweisanordnung vom 19. April 2011 den Orthopäden Dr. F. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dem Gesuch des Bf. auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. F. wegen Besorgnis der Befangenheit hat die Kammer mit Beschluss vom 31. August 2011 stattgegeben. Die Besorgnis der Befangenheit könne zwar entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf die Umstände in der Praxis am 5. Juli 2011 gestützt werden, insbesondere könne die Verweigerung der Teilnahme einer Begleitperson bei der Erhebung der Anamnese und Untersuchung durch Dr. F. bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise keine Besorgnis der Befangenheit begründen. Allerdings sei dem Kläger darin zu folgen, dass die schriftlichen Äußerungen von Dr. F. in seinen Schreiben vom 8. und 12. Juli 2011 die Besorgnis der Befangenheit begründen.

Mit Beweisanordnung vom 1. August 2012 hat das Sozialgericht den Orthopäden Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 20. November 2012 zu dem Ergebnis gelangt, dass sich durch das Unfallgeschehen vom 10. Juni 1989 lediglich eine Retropatellararthrose am linken Kniegelenk begründen lasse. Eine beginnende Hüftgelenksarthrose rechts lasse sich nicht auf dieses Unfallgeschehen zurückführen. Eine Fehlbelastung bzw. hochgradige Mehrbelastung des rechten Beins lasse sich nicht begründen. Das Tragen einer Kniegelenksorthese sei beim Kläger nicht notwendig. Gegenüber dem Bescheid vom 27. März 1996 ließen sich somit keine Änderungen erkennen, die eine Erhöhung der MdE rechtfertigten. Es lasse sich lediglich eine MdE von 20 v.H. begründen. Auch die Wirbelsäulenveränderungen müssten als schicksalshaft und anlagebedingt bewertet werden - ohne Beeinflussung durch das linke Kniegelenk. Das Sozialgericht hat dem Bf. das Gutachten mit Schreiben vom 23. Januar 2013 zur Stellungnahme bis 21. Februar 2013 übersandt.

Mit Schreiben vom 2. Januar 2013, eingegangen am 4. Februar 2013, hat der Bf. die Objektivität und Schlüssigkeit des Gutachtens des Dr. G. bezweifelt. Die Anknüpfungen und Befundtatsachen seien nicht den Gegebenheiten entsprechend dargelegt. Darüber hinaus sei er der Ansicht, dass ihm bei der Untersuchung in übertriebener Art Schmerzen zugefügt worden seien, die auch Auswirkungen auf die weitere Begutachtung gehabt hätten. Bei den Funktionstests sei über den Schmerzpunkt hinaus Kraft ausgeübt worden. Auch seien die durchgeführten Untersuchungsmethoden nicht im Vorfeld mitgeteilt und erklärt worden. Die Ermittlungen der Rotationsfunktionen und des Finger-Boden-Abstandes habe ohne Messmittel oder Kennzeichnung am Gelenk stattgefunden.

Das muskuläre Gegenhalten bei der Untersuchung sei nach den zuvor zugefügten Schmerzen ein Abwehrmechanismus gewesen. Er sei auch der Auffassung, dass die Auswirkungen seiner Beschwerden am Kniegelenk mit denen einer Amputationsverletzung nicht nur gleichzusetzen seien, vielmehr seien Amputationen mit einer modernen Prothesenversorgung so gut versorgt, dass damit sogar ein besseres Gangbild als bei ihm vorliege.

Der Bf. hat ferner ausgeführt, er sei inhaltlich mit den Ausführungen des Sachverständigen zu einer notwendigen durchgangsärztlichen Prozesskette und eines nicht objektivierbaren Erstbefundes nicht einverstanden. Die Problematik liege 24 Jahre zurück. Zum damaligen Zeitpunkt hätten hochauflösende bildgebende Verfahren ni...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge