Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Versäumung der Beschwerdefrist. Nachweis des Zustellungszeitpunkts durch Empfangsbekenntnis. Entkräftung der Beweiswirkung. Zustellung eines Beschlusses per Telefax. Beweiskraft eines Faxsendeprotokolls. nachfolgende Übersendung auf dem Postweg. kein erneuter Lauf der Beschwerdefrist. Weiterleitung eines Faxes innerhalb einer Behörde
Leitsatz (amtlich)
1. Das Empfangsbekenntnis erbringt Beweis auch dafür, dass der darin genannte Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht. Die Beweiswirkung ist entkräftet, wenn die Angabe des Datums offensichtlich unrichtig ist.
2. Die Zustellung eines Beschlusses gegen Empfangsbekenntnis per Telefax ist möglich. Der Hinweis Übersendung zum Zweck der Zustellung und ein beigelegter Vordruck eines Empfangsbekenntnisses machen den Zustellungswillen deutlich.
3. Ein Faxsendeprotokoll über eine ordnungsgemäß abgelaufene Übermittlung erbringt nicht den vollen Beweis für den Zugang, indiziert aber einen Zugang beim empfangenden Faxgerät; generell kann dann davon ausgegangen werden, dass die Faxübertragung im Speicher des empfangenden Faxgerätes angekommen ist.
4. Eine weitere Zustellung einer Beschlussausfertigung gegen Empfangsbekenntnis auf dem normalen Postweg setzt die Beschwerdefrist nicht erneut in Lauf.
5. Die Übermittlung eines Faxes innerhalb einer Behörde an die zuständige Stelle liegt im alleinigen Organisations- und Verantwortungsbereich der Behörde.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 4. November 2016 wird als unzulässig verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegnern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren über die vorläufige Gewährung höherer Unterkunftskosten für den Zeitraum vom 01.09.2016 bis 31.10.2016.
Am 09.05.2016 sprach die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Bg) zu 1) beim Antragsgegner und Beschwerdeführer (Bf) wegen der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vor und teilte mit, sie sei alleinerziehend und habe zwei am 14.08.1999 und am 14.04.2014 geborene Kinder. Derzeit wohne sie bei ihrem Expartner mietfrei, bemühe sich aber um eine eigene Wohnung für sich und die Kinder. Laut Aktenvermerk vom 09.05.2016 wurde sie auf die für sie gültige Mietobergrenze hingewiesen. Am 10.05.2016 teilte die Bg zu 1) dem Bf mit, bisher habe sie keine Wohnung finden können und nur Absagen erhalten. Sie habe aber jetzt eine Zusage erhalten für eine Wohnung, die sie ab 01.06.2016 mit ihren Kindern beziehen könne. Die Kaltmiete betrage knapp 1.100,- Euro und liege somit über der Mietobergrenze. Sie bat um Mitteilung, ob diese Wohnung vom Bf genehmigt werden könne.
Am 23.05.2016 beantragte die Bg zu 1) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für sich und ihre Kinder. Sie legte einen Mietvertrag vom 13.05.2016 vor, nach dem sie für die zum 01.06.2016 angemietete Dreizimmerwohnung eine Nettomiete in Höhe von 1.095,- Euro, eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 110,- Euro und eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 120,- Euro pro Monat schuldet.
Mit Bescheid vom 01.06.2016 geändert durch Bescheid vom 14.07.2016 bewilligte der Bf den Bg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorläufig für die Zeit vom 01.06.2016 bis 31.10.2016. Als zu berücksichtigende Kosten der Unterkunft wurde ein Betrag von 920,- Euro angesetzt. In der Begründung ist ausgeführt, bereits vor Eingehung des Mietvertrages sei der Bg zu 1) mitgeteilt worden, dass die ab dem 01.06.2016 angemietete Wohnung 405,- Euro über der maßgeblichen Mietobergrenze liege. Es werde daher nur die angemessene Kaltmiete in Höhe von 690,- Euro für eine dreiköpfige Familie bewilligt, zuzüglich der Nebenkosten.
Ihren Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 01.06.2016 begründete die Bg zu 1) unter anderem damit, dass für die vom Bf angegebene Mietobergrenze von 690,- Euro kalt eine Dreizimmerwohnung vor Ort oder im näheren Umkreis nicht zu finden sei. Sie habe seit Januar 2016 nach einer Wohnung gesucht. Sie habe aus dem Haus ihres Expartners ausziehen müssen, das Zusammenleben mit ihm sei für sie eine große psychische Belastung gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2016 wurden die Widersprüche gegen die Bescheide vom 01.06.2016 und 14.07.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Die Mietobergrenze im Landkreis B-Stadt sei für eine Drei-Personen-Bedarfsgemeinschaft nach dem Gutachten der e. AG für den Vergleichsraum B- und A-Stadt bei einer Nettokaltmiete von 790,- Euro anzusetzen. Der Bg zu 1) sei bereits vor Einreichung ihres Antrags bewusst gewesen, dass die Kosten der unangemessenen Wohnung nicht in voller Höhe übernommen würden. Eine zumindest sechsmonatige Übernahme der vol...