Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von PKH, wenn Berufung in der Hauptsache nicht zulässig

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.04.2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Überprüfung einer Aufrechnung in Höhe von 91,78 € gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch wegen einer Erstattung von Heizkostenvorauszahlungen. Aufgrund einer erfolgten Jahresabrechnung rechnete der Beklagte die überzahlten Leistungen (im Einverständnis mit der Klägerin) auf.

Einen Antrag auf Überprüfung dieser Aufrechnung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18.01.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.02.2011 ab. Der Bescheid vom 22.11.2010 sei nicht zu beanstanden. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Diese Bewilligung hat das SG mit Beschluss vom 20.04.2011 abgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), sie ist jedoch nicht zulässig. Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs 1, 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ausgeschlossen, denn in der Hauptsache überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht den Betrag von 750,00 € (§§ 172 Abs 3 Nr 1, 144 Abs 1 SGG).

Die Beschwerde ist in diesem Zusammenhang nicht deshalb ausgeschlossen, weil das SG allein die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin verneint hätte (§ 172 Abs 3 Nr 2 SGG), sondern es hat ausdrücklich auf die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage abgestellt.

Allerdings stellt § 172 Abs 3 SGG keine abschließende Regelung dar. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung des § 172 Abs 1 HS 2 SGG ("soweit noch nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist"). Eine Bestimmung in diesem Sinne ist auch in § 73a Abs 1 Satz 1 SGG zu sehen, der u.a. auf § 127 Abs 2 Satz 2 HS 2 ZPO verweist, wonach die Beschwerde bei einem PKH-Verfahren ausgeschlossen ist, wenn aufgrund des Streitgegenstandes kein zulassungsfreies Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache stattfinden kann (vgl. hierzu u.a. Sächsisches LSG, Beschluss vom 06.12.2010 - L 1 AL 212/09 B PKH -; Hessisches LSG, Beschluss vom 04.10.2010 - L 7 AS 436/10 B -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.10.2010 - L 5 AS 227/10 B -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.12.2010 - L 34 AS 2182/10 B PKH -; Beschluss des Senates vom 03.08.2010 - L 10 AL 161/10 B PKH -). Diese Auslegung ist aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Regelung herzuleiten, und auch die Neufassung des § 172 SGG durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) vom 26.03.2008 (BGBl I S 444) sowie durch das 3. Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I S 1127) - spricht gegen eine andere Betrachtungsweise. Die Beschwerdefähigkeit einer PKH-Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren, in dem ein Rechtsmittel der Zulassung bedarf, würde der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, die Rechtspflege zu entlasten, denn ohne diese Einschränkung käme es in einem Nebenverfahren zu einer intensiveren rechtlichen Prüfung, die im Hauptsacheverfahren gerade ausgeschlossen werden soll (vgl. hierzu Beschluss des Senates vom 03.08.2010 mwN; Hessisches LSG aaO). In diesem Zusammenhang stellt gerade die Regelung des § 172 Abs 3 Nr 2 SGG einen Beleg für den gesetzgeberischen Willen dar, die Beschwerdemöglichkeit im sozialgerichtlichen PKH-Verfahren weiter einzuschränken als in anderen Verfahrensarten (§ 127 Abs 2 Satz 2 ZPO, § 11a Abs 3 ArbGG, § 166 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-), die unmittelbar oder durch den Verweis auf die ZPO eine Beschwerdemöglichkeit vorsehen, soweit PKH aufgrund der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei abgelehnt worden ist.

Unter dem Aspekt der einheitlichen Rechtsordnung ist kein systematisch nachvollziehbarer Ansatz zu erkennen, aus welchem Grund der Gesetzgeber die Beschwerdemöglichkeiten im sozialgerichtlichen Verfahren (Beschwerde bei Ablehnung wegen hinreichender Erfolgsaussicht; nicht jedoch wegen fehlender persönlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen) gegenläufig zu den übrigen Verfahrensordnungen (Beschwerde bei Ablehnung wegen fehlender persönlicher und wirtschaftlicher Voraussetzungen; nicht jedoch wegen hinreichender Erfolgsaussichten) hätte ausgestalten sollen, so dass § 172 Abs 3 Nr 2 SGG - bei Vergleich mit anderen Verfahrensordnungen - nicht als abschließende Regelung in Bezug auf die Beschwerdemöglichkeiten im PKH-Antragsverfahren anzusehen ist, sondern als zusätzliche, über § 127 Abs 2 Satz 2 HS 2 ZPO hinausgehend...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge