Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Anwendbarkeit von § 172 Abs. 3 SGG n.F. Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe. Wert des Beschwerdegegenstandes. Falsche Rechtsmittelbelehrung
Leitsatz (amtlich)
§ 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG in der ab 25.10.2013 geltenden Fassung schließt eine Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe aus, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte.
Dieser Beschwerdeausschluss ist anwendbar, wenn die Beschwerde gegen die PKH Ablehnung erst nach dem 24.10.2013 eingelegt wurde.
Eine Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Sozialgerichts, dass eine Beschwerde zulässig sei, kann die durch Gesetz bestimmte Unzulässigkeit nicht ändern.
Normenkette
SGG § 172 Abs. 3 Nr. 2 b), § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 20. Januar 2014, S 46 AS 1062/11, wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Bescheid vom 15.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn M. Leistungen nach SGB II für die Zeit vom 01.03.2011 bis 31.08.2011.
Dagegen erhob die Klägerin rechtzeitig Klage und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Die Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 28.03.2011 sei rechtwidrig gewesen, weil der Regelbedarf noch nicht erhöht worden sei. Der Widerspruch sei daher begründet gewesen, zumindest im Umfang der nachträglich erfolgten Erhöhung des Regelbedarfs um 5,- Euro pro Monat. Möglicherweise sei auch der neu festgelegte Regelbedarf verfassungswidrig, weil um 5,- bis 8,- Euro pro Monat zu niedrig.
Mit Beschluss vom 20.01.2014 lehnte das Sozialgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht ab. Laut Rechtsmittelbelehrung sei eine Beschwerde statthaft.
Die Klägerin hat am 24.01.2014 Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe eingelegt. Es sei davon auszugehen, dass eine abschließende verfassungsrechtliche Klärung der neuen Regelbedarfe noch nicht erfolgt sei. Auf den Hinweis des Gerichts, dass die Beschwerde nicht statthaft sei, hat die Klägerin mitgeteilt, dass sich die Statthaftigkeit der Beschwerde aus der ungeklärten Rechtsfrage ergebe.
II.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist als unzulässig zu verwerfen (§ 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG i.V.m. § 572 Abs. 2 S. 3 Zivilprozessordnung).
Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 b SGG in der Fassung des BUK-Neuorganisationsgesetzes vom 19.10.2013 (BUK-NOG, BGBl I, Seite 3836 ff) ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Diese Regelung trat gemäß Art. 17 BUK-NOG am Tag nach der Verkündung in Kraft, mithin am 25.10.2013.
Eine Berufungszulassung ist gemäß § 144 Abs. 1 SGG erforderlich, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage 750,- Euro nicht übersteigt und es nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr geht. Die Berufung bedürfte hier der Zulassung, weil lediglich ein Betrag in Höhe von etwa 48,- Euro (acht Euro mal sechs Monate) bzw. Leistungen für einen Zeitraum von sechs Monaten strittig sind. Damit ist die Beschwerde ausgeschlossen.
Dass der angegriffene Beschluss eine Rechtsmittelbelehrung zur Beschwerde enthält, ändert an der Unzulässigkeit der Beschwerde nichts (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 172 Rn. 7 und § 66 Rn. 12a). Ein gesetzlich nicht zugelassenes Rechtsmittel kann dadurch nicht zulässig werden. Dies zeigt auch der Wortlaut von § 172 Abs. 3 SGG "Die Beschwerde ist ausgeschlossen ...".
Die Kläger können sich ferner nicht darauf berufen, dass die Beschwerde bis zum 24.10.2013 nach überwiegender Auffassung (z. B. BayLSG, Beschluss vom 27.05.2011, L 7 AS 342/11 B PKH, BayLSG Beschluss vom 06.06.2011, L 8 AS 770/10 B PKH) als statthaft angesehen wurde.
Änderungen der Rechtslage im Prozessrecht kommen grundsätzlich mit Inkrafttreten zur Anwendung und erfassen auch anhängige Rechtsstreitigkeiten. Vertrauensschutz kann ausnahmsweise beansprucht werden, wenn das Gesetz eine Übergangsfrist festlegt oder die Beteiligten bereits eine schutzwürdige Position erlangt haben, etwa durch eine bereits abgeschlossene Prozesshandlung wie die Einlegung eines Rechtsbehelfs (Leitherer in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10 Auflage 2012, Rn. 10e vor § 143; BSGE 70, S. 133 = BSG, GS 1/89 vom 19.02.1992). Es gibt hier keine Übergangsfrist und die Beschwerde wurde erst am 24.01.2014 - also nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung - eingelegt.
Eine Kostenentscheidung unterbleibt im Beschwerdeverfahren gemäß § 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Fundstellen