Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Versagung von Leistungen aufgrund fehlender Mitwirkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Verfahren nach §§ 66, 67 SGB I kommt es darauf an, dass eine Mitwirkungspflicht tatsächlich nachgeholt wird.

2. Der Zeitraum für ein Verfahren nach §§ 66, 67 SGB I endet im Bereich des SGB II, wenn ein neuer Antrag auf Leistungen gestellt wird.

 

Tenor

I. Der Antrag, die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts München vom 9. Dezember 2015 auszusetzen, wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 hat das Sozialgericht München (SG) den Antragsteller (Ast.) im Rahmen einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsgegner (Ag.) vorläufig für die Zeit vom 07.12.2015 bis zum 31.12.2015 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende von monatlich 379,34 EUR sowie für die Zeit vom 01.01.2016 bis zum 06.03.2016 in Höhe von 382,01 EUR monatlich zu gewähren.

Das SG hat seine Entscheidung damit begründet, dass dem Ag. aufgrund seines Leistungsantrags vom 05.02.2015 zwar grundsätzlich keine Leistungen gewährt mehr gewährt werden könnten, da einer Leistungsgewährung die bestandskräftige Versagung vom 09.06.2015 entgegen stünde, nachdem der Ag. En Termin für eine ärztliche Untersuchung vom 27.05.2015 zur Klärung seiner Erwerbsfähigkeit nicht wahrgenommen hatte. Nach mehreren Kontakten des Ag. mit dem Ast., bei denen der Ag. Leistungen gewollt habe, habe der Ag. letztlich einem neuen Untersuchungstermin zugestimmt. Dem am 23.10.2015 für den 7.12.2015 anberaumten Termin habe der Ag. unverschuldet wegen eines Sturzes nicht wahrnehmen können. Eine Aufhebung der Versagung vom 09.06.2015 hätte ab diesem Zeitpunkt, also ab dem 07.12.2015, wegen Änderung der Verhältnisse erfolgen müssen. Der Ag. sei so zu stellen, als habe er den Termin wahrgenommen, und ihm seien deshalb Leistungen ab diesem Zeitpunkt zu gewähren..

Hiergegen hat der Ast. Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt, die unter Az.: L 7 AS 893/15 B ER im Senat anhängig ist und gleichzeitig beantragt, die Vollziehung des Beschlusses des SG aufzuheben.

Die Entscheidung des SG sei offenkundig rechtswidrig, da dem Ag. aufgrund des bestandskräftigen Versagensbescheides vom 09.05.2015 bezüglich des Leistungsantrags vom 05.02.2015 nicht zustünden. Leistungen im Rahmen des Verfahrens nach §§ 66, 67 SGB I stünden dem Ag. schon deshalb nicht zu, weil es hierbei auf die tatsächlich erfolgte Nachholung der Mitwirkung ankäme, was jedoch nicht geschehen sei. Und selbst wenn eine Nachholung der Mitwirkung erfolge, handele es sich dann u ein Verfahren nach §§ 66, 67 SGB I, das die Entscheidung über die Gewährung von Leistungen in das Ermessen der Behörde stelle, so dass eine Verurteilung des Ast. zur Leistungsgewährung durch das SG so nicht habe erfolgen dürfen.

II.

Der Aussetzungsantrag nach § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Gemäß § 199 Abs. 2 Satz 1 SGG kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung aussetzen. Ein vollstreckbarer Titel im Sinn des § 199 Abs. 1 SGG liegt mit dem Beschluss des SG vor. Die Beschwerde des Ag. hat keine aufschiebende Wirkung, § 175 Satz 1 und Satz 2 SGG.

Der Aussetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.

Im Rahmen des nach herrschender Meinung auszuübenden Ermessens unter Abwägung der Interessen des Leistungsempfängers und der leistungspflichtigen Behörde (vgl. dazu etwa BayLSG Beschluss vom 28.04.2014, L 7 AS 337/14 ER) ist eine Aussetzung nicht gerechtfertigt.

Zum einen handelt es sich hier um ein Eilverfahren, bei dem der in § 175 SGG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Beschwerden in der Regel keine aufschiebende Wirkungen haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher bei Beschwerden in Eilverfahren nur in ganz besonderen Ausnahmefällen in Betracht (BSG Beschluss vom 28.10.2008, B 2 U 189/08 B).

Zum anderen hat im Bereich existenzsicheren Leistungen ein Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG schon deshalb kaum Aussicht auf Erfolg, weil den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bezüglich Eilverfahren für existenzsichernde Leistungen (Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05) hier ein besonderes Gewicht beikommt und Nachteile, die einem Leistungsträger durch die vorläufige Gewährung von Leistungen entstehen, regelmäßig nicht die Nachteile überwiegen, die einem Leistungsberechtigten bei Versagung einer existenzsichernden Leistung entstünden (so ausdrücklich BSG Beschluss vom 08.12.2009, B 8 SO 117?/09 R). Im Bereich des SGB II kann daher ein Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG nur in seltenen Fällen Erfolg haben und ist regelmäßig aussichtslos (vgl. BayLSG Beschluss vom 29.06.2006, L 11 AS 95/06 ER). Wegen der vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen von E...

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