Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. Entstehung bei Telefonaten zwischen Richter und den Parteien. Gebührenbemessung. Berücksichtigung von Umfang und Intensität der Einigungsbemühungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die "Besprechungsterminsgebühr" nach Vorbemerkung 3 Abs 3 S 3 Nr 2 VV RVG (juris: RVG-VV) kann auch bei Telefonaten zwischen Richter und den Parteien entstehen, wenn Inhalt der Gespräche jeweils ein qualifiziertes auf die Erledigung des Verfahrens gerichtetes Gespräch ist.
2. Ein hohes Maß an Vergleichbarkeit der Besprechung mit einem Gerichtstermin ist nicht erforderlich (Abkehr von LSG München vom 16.12.2016 - L 15 SF 63/15).
3. Umfang und Intensität der Einigungsbemühungen können bei der Bemessung der Gebühr berücksichtigt werden.
Tenor
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 07.02.2017, S 15 SF 105/15 E, sowie die Vergütungsfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 03.12.2015 abgeändert. Für das Verfahren S 16 AL 105/15 ER werden die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf 618,80 Euro festgesetzt.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren.
Streitig sind die Höhe der Verfahrens- und der Einigungsgebühr sowie, ob und in welcher Höhe eine Terminsgebühr entstanden ist.
Der Beschwerdeführer vertrat den Kläger/Antragsteller sowohl im Hauptsacheverfahren mit dem Az.: S 16 AL 68/15 als auch in dem diesem Kostenverfahren zugrundeliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit dem Az.: S 16 AL 105/15 ER. Gegenstand der Verfahren war eine Abzweigung nach § 48 SGB I an das Jugendamt wegen Verletzung der Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seinem Sohn.
Der Beschwerdeführer stellte als Bevollmächtigter des Klägers am 02.04.2015 in der Streitsache Az.: S 16 AL 105/15 ER Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage und begründete diesen mit knapp vier Seiten. Die Klage in der Hauptsache war am 23.02.2015 erhoben worden. Beide Verfahren waren im Wesentlichen identisch. Im Eilverfahren ergänzte der Beschwerdeführer seinen Vortrag zur Eilbedürftigkeit mit weiterem Schreiben vom 22.04.2015.
Das SG bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 15.04.2015 im Verfahren Az.: S 16 AL 68/15 und mit Beschluss vom 26.05.2015 in der Streitsache Az.: S 16 AL 105/15 ER jeweils PKH ab Antragstellung und ordnete den Beschwerdeführer bei.
Mit Schreiben vom 27.05.2015 teilte das Gericht unter den Az.: S 16 AL 105/15 ER und S 16 AL 68/15 mit, es halte wie telefonisch besprochen, einen (im Folgenden ausformulierten) außergerichtlichen Vergleich für angezeigt. Nach weiterem kurzen Schriftwechsel wurden die Streitsachen Az.: S 16 AL 68/15 und S 16 AL 105/15 ER für erledigt erklärt.
Für das Verfahren Az.: S 16 AL 68/15 wies das SG die beantragten außergerichtlichen Kosten (u.a. Verfahrens-, Termins- und Einigungsgebühr) i.H.v. insgesamt 1.037,68 Euro zur Zahlung an.
Mit Kostennote vom 22.10.2015 machte der Beschwerdeführer seine Vergütung in der Streitsache Az.: S 16 AL 105/15 ER wie folgt geltend:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
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200,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
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186,67 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1000, 1006 VV RVG |
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200,00 Euro |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 Euro |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
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115,27 Euro |
Gesamtbetrag |
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721,94 Euro |
Zur Begründung verwies der Beschwerdeführer auf eine nach sozialgerichtlicher Rechtsprechung übliche "Drittelgebühr" im einstweiligen Anordnungsverfahren.
Mit Beschluss vom 03.12.2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG die dem Beschwerdeführer zu erstattenden Gebühren auf 261,80 Euro fest. Dieser Betrag errechnete sich wie folgt:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG |
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100,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG |
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100,00 Euro |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 Euro |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
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41,80 Euro |
Gesamtbetrag |
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261,80 Euro |
Abweichend von dem Kostenfestsetzungsantrag sei eine Verfahrens- und Einigungsgebühr lediglich in Höhe der doppelten Mindestgebühr gerechtfertigt. Die Erstattung einer Terminsgebühr wurde abgelehnt.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11.12.2015 Erinnerung eingelegt. Eine Terminsgebühr sei festzusetzen, weil die telefonische Besprechung der Angelegenheit zwischen dem Rechtsanwalt und dem Richter eine solche Terminsgebühr auslöse. Im Übrigen wäre im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Reduzierung der Gebühren um 1/3 üblich und in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, so dass die Absenkung der Gebühren nicht gerechtfertigt wäre.
Das SG hat die Erinnerung mit Beschluss vom 07.02.2017 zurückgewiesen. Isoliert betrachtet würde dem Erinnerungsführer tatsächlich bei einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich eine um ...