Entscheidungsstichwort (Thema)
Eidliche Vernehmung eines Zeugen durch das Sozialgericht
Leitsatz (amtlich)
Die eidliche Vernehmung von Zeugen durch das Sozialgericht auf Ersuchen des Zulassungsausschusses Ärzte setzt regelmäßig nicht deren vorausgehende Vernehmung durch den Zulassungsausschuss voraus (Abweichung von LSG Stuttgart, Beschluß vom 11.3.1996 - L 2 U 298/96 = E-LSG B-071 (LT1)).
Tatbestand
Die Beschwerde richtet sich gegen einen die eidliche Vernehmung nach § 22 Abs.2 SGB X ablehnenden Beschluß.
Mit Schreiben vom 13. Januar 1998 ersuchte der Beschwerdeführer (Bf.) das Sozialgericht Würzburg, neun namentlich aufgeführte Mitarbeiter der HNO-Abteilung des Kreiskrankenhauses G gemäß § 22 Abs.1 SGB X als Zeugen zum Thema zu vernehmen, ob der Chefarzt dieser Abteilung (Dr.E.) die im Rahmen seiner Ermächtigung abgerechneten vertragsärztlichen Leistungen auch persönlich erbracht habe. Das Rechtshilfeersuchen wurde unter dem Az.: S 1 RH 2/98 SF geführt. Mit Schreiben vom 16. Januar 1998 gab der Vorsitzende der 1. Kammer dieses Ersuchen zurück, weil die Voraussetzungen für ein Rechtshilfeersuchen gemäß § 22 Abs.1 SGB X nicht erfüllt seien.
Mit Schreiben vom 12. März 1998 ersuchte daraufhin der Bf., das Sozialgericht um die eidliche Vernehmung der vorgenannten neun Personen gemäß § 22 Abs.2 SGB X. Die besondere Bedeutung der Aussage ergebe sich daraus, daß hierdurch unter Umständen eine gröbliche Verletzung vertragsärztlicher Pflichten (Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung) festgestellt werden könne. Notwendige Rechtsfolge wäre die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Ermächtigung. Abgesehen davon könne darin eine strafbare Handlung liegen. Es werde deshalb um die eidliche Vernehmung des gesamten ärztlichen und nichtärztlichen Personals gebeten. Dieses Ersuchen war vom alternierenden Vorsitzenden des Bf. unterschrieben; das Ersuchen vom 13. Januar 1998 war mitsamt umfangreichem Fragenkatalog beigefügt. Das erneute Rechtshilfeersuchen wurde unter dem Az.: S 1 RH 4/98 SF geführt.
Mit Beschluß vom 6. April 1998 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf eidliche Vernehmung vom 13. Januar 1998 bzw. 12. März 1998 des ärztlichen und nichtärztlichen Personals der HNO-Abteilung des Kreiskrankenhauses G ab. Diese Entscheidung stützte es im wesentlichen auf folgende Erwägungen: Das Gericht vermöge sich der Auffassung des Bf. nicht anzuschließen, daß die von ihm eingeschätzte Bedeutung und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Angelegenheit eine eidliche Vernehmung erfordere. Zudem mache § 22 Abs.2 SGB X die vorherige -- zumindest versuchte Vernehmung -- im Verwaltungsverfahren nicht entbehrlich. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei ein angestrebtes Ziel -- hier die Ermittlung eines Sachverhalts zur Vorbereitung einer verwaltungsmäßigen Entscheidung -- zunächst mit weniger einschneidenden Maßnahmen anzugehen. Nach dem Normzweck des § 22 SGB X sei die Vernehmung von Zeugen erst dann den Gerichten vorbehalten, wenn sich die Zeugen geweigert hätten, ihren Pflichten zur Aussage nachzukommen. Dies sei auch in der Gesetzesbegründung zum wortgleichen § 65 Abs.2 bis 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfg) ausgeführt worden (BT-Drucksache 7/910, 84). Diese Auslegung werde dem Charakter des § 22 Abs.2 SGB X als Ausnahmeregelung gerecht. Es gehöre zur sachgerechten Ausübung des geforderten Ermessens, daß entweder eine behördliche Aussage vorliege oder zumindest der Versuch hierzu gemacht worden sei. Erst ein solches Verwaltungshandeln bilde die Grundlage für die zu treffende Ermessensentscheidung, ob eine gerichtliche Vernehmung mit oder ohne Beeidigung für geboten gehalten werde (vgl. Beschluß des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. März 1996 -- L 2 U 298/96 B). Der generell gestellte Antrag auf Beeidigung könne nicht dazu führen, erforderliche Ermittlungen sofort auf die gerichtliche Ebene zu heben. Die Bedeutung der Aussage sei erst nach dem Ergebnis der Vernehmung zu beurteilen. Auch könne nicht ohne das Vorliegen besonderer Gründe im Verwaltungsverfahren generell davon ausgegangen werden, allein die Vereidigung sei zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage geboten.
Gegen den ihm am 8. April 1998 zugestellten Beschluß hat der Bf. am 30. April 1998 Beschwerde eingelegt. Diese wird im wesentlichen damit begründet, daß § 22 Abs.2 SGB X eine eigenständige Rechtsgrundlage für das zuständige Gericht bilde. Eine vorherige Vernehmung sei nicht notwendig. Entscheidend sei lediglich, ob die Behörde die Beeidigung für notwendig erachte. Insoweit sei die Entscheidung vom Gericht nicht nachprüfbar. Er habe besondere Umstände dargelegt, die eine eidliche Vernehmung der genannten Zeugen notwendig machten. Die Bedeutung der Aussage ergebe sich aus dem bekannten Sachverhalt. Es dürfte unverhältnismäßig sein, zunächst Zeugen vor dem Zulassungsausschuß zu vernehmen, obwohl angesichts der Aktenlage offenkundig sei, daß wegen der Bedeutung der Aussage auch eine Beeidigung notwendig sei. A...