Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung. Antrag auf Wiederaufnahme eines erledigten Eilverfahrens. Restitutionsklage. Sozialgerichtliches Verfahren. Urkunde. Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII
Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 179 Abs 1 SGG, §§ 579 und 580 ZPO kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren wieder aufgenommen werden, wenn die Voraussetzungen einer Nichtigkeits- oder Restitutionsklage erfüllt sind.
2. Bei der Wiederaufnahme von Beschlüssen ist statt Klage ein Antrag zu stellen und das Beschlussverfahren durchzuführen - Antrag auf Wiederaufnahme des Beschlussverfahrens.
3. § 580 Nr 7 Buchst b ZPO liegt bereits begrifflich nur bei solchen Urkunden vor, die zum Zeitpunkt des wieder aufzunehmenden Verfahrens bereits existiert haben.
4. Es widerspricht dem vorläufigen Charakter des Eilverfahrens, mit dem grundsätzlich eine schnelle Entscheidung herbeigeführt werden soll, dieses erst nach mehreren Jahren wieder aufzunehmen. Hier steht im Übrigen der Rechtsweg gegen die Entscheidung in der Hauptsache offen, womit eine subsidiäre Restitutionsklage gemäß § 582 ZPO nicht zulässig ist.
Tenor
I. Der auf Wiederaufnahme des Verfahrens L 8 B 241/08 SO ER gestellte Antrag auf Restitutionsklage vom 26.01.2010 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag vom 26.01.2010, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Restitutionsklage zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens L 8 B 241/08 SO ER. In diesem Verfahren hatten die Parteien am 14.05.2008 einen gerichtlichen Vergleich geschlossen und in dessen Ziffer 3 das Verfahren in vollem Umfang für erledigt erklärt.
Mit Schreiben vom 26.01.2010 erhob der Antragsteller Restitutionsklage gemäß § 580 Ziffer 7 b ZPO und legte zur Begründung einen Bescheid der Landeshauptstadt A-Stadt vom 07.12.2009 vor, mit dem der Bescheid vom 28.07.2008 aufgehoben wurde. Er beantragte zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Restitutionsklage. Er sei, im Gegensatz zur Antragsgegnerin, seiner Verpflichtung aus dem Vergleich nachgekommen. Daher sei das Verfahren nicht erledigt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
das Verfahren L 8 B 241/08 SO ER wieder aufzunehmen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm weitere Leistungen zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie die beigezogenen Akten L 8 SO 43/08 B ER, L 8 SO 153/09 B PKH, L 8 SO 38/10 PKH sowie L 8 SF 358/09 Bezug genommen.
II.
Der Antragsteller hat mangels Statthaftigkeit keinen Anspruch auf Wiederaufnahme und Fortsetzung des unter dem Aktenzeichen L 8 B 241/08 SO ER geführten abgeschlossenen Eilverfahrens.
Ein rechtkräftig beendetes Verfahren kann u.a. wieder aufgenommen werden, wenn die in §§ 579 und 580 ZPO genannten Voraussetzungen für die Erhebung einer dort geregelten Nichtigkeits- oder Restitutionsklage erfüllt sind (§ 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Restitutionsklage findet u.a. statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbei geführt haben würde (§ 580 Nr. 7 b ZPO). Die Restitutionsklage ist nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, den Restitutionsgrund in einem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 582 ZPO). Bei der Wiederaufnahme von Beschlüssen ist statt Klage ein Antrag zu stellen und das Beschlussverfahren durchzuführen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, Rdz. 3 a zu § 179). Der Antrag des Antragstellers auf Restitutionsklage war dahingehend auszulegen, dass er einen Antrag auf Wiederaufnahme des Beschlussverfahrens stellt (§ 123 SGG).
Die Wiederaufnahme eines Verfahrens ist nur in engen Grenzen denkbar (§§ 179, 180 SGG). Das Verfahren wickelt sich wegen der Doppelnatur der Wiederaufnahmeklage in drei Abschnitten ab, von denen der jeweils folgende erst geprüft werden darf, wenn der vorherige geprüft ist und ein positives Ergebnis gebracht hat (BGH 2, 247). Die Statthaftigkeit ist als besondere Prozessvoraussetzung im 1. Abschnitt bei der Zulässigkeit zu prüfen. Die Wiederaufnahmeklage durch Nichtigkeits- oder Restitutionsklage ist nach § 578 ZPO statthaft gegen rechtskräftige Endurteile, analog auch gegen Beschlüsse. Unstatthaft ist sie aber gegen Prozessvergleiche (Reichold in Thomas/ Putzo, Komm. zur ZPO, Rdz. 3 zu § 578). Da das Verfahren L 8 B 241/98 SO ER nicht durch Endurteil bzw. Beschluss, sondern durch gerichtlichen Vergleich gem. § 101 SGG beendet wurde, ist eine dagegen gerichtete Wiederaufnahmeklage unstatthaft.
Der Senat hat auch im Übrigen keine Bedenken gegen die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs vom 14.05.2008. Der ordnungsgemäß protokollierte Vergleich ohne Widerrufsvorbehalt war eine Prozesshandlung, die den Rechtsstreit unmittelbar beendete, § 101 SGG. Eine zus...