Leitsatz (amtlich)
1. Die erstinstanzliche Entscheidung zur Kostenübernahme auf die Staatskasse ist im Beschwerdeverfahren voll, d.h. nicht nur auf Ermessensfehler, überprüfbar. Die Befugnis zur Ausübung des Ermessens geht mit der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht über.
2. Eine nur teilweise Kostenübernahme ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber bei einem einheitlichen Streitgegenstand regelmäßig nicht sachgerecht.
3. Über den Umfang der Kostenübernahme auf die Staatskasse kann keine Sanktionierung der Qualität eines Gutachtens in dem Sinn erfolgen, dass der Antragsteller die Kosten soweit selbst zu tragen hat, als die Ausführungen eines Gutachters bei der Erledigung nicht als zutreffende Bewertung zugrunde gelegt worden sind.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 9. Juli 2012, Az.: S 6 SB 629/09, wird dahingehend abgeändert, dass die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. K. vom 09.08.2011 (i.V.m. dem Gutachten des Dipl.-Psych. K. vom 28.06.2011) nicht nur zur Hälfte, sondern in voller Höhe auf die Staatskasse übernommen werden.
II. Der Beschwerdeführerin sind die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
In dem am Sozialgericht Regensburg (SG) unter dem Az.: S 6 SB 629/09 anhängig gewesenen Rechtsstreit der Klägerin und jetzigen Beschwerdeführerin (Bf) gegen den Freistaat Bayern wegen der Höhe des Grads der Behinderung (GdB) erstellte am 15.11.2010 zunächst die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K.-R. ein Gutachten. Sie kam dabei u.a. zu der Einschätzung, dass bei der Bf seelische Störungen vorlägen, die mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten seien. Den Gesamt-GdB schätzte sie auf 30.
In dem von der Bf gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragten Gutachten durch den Nervenarzt Dr. K. bewertete dieser unter Berücksichtigung eines psychologischen Zusatzgutachtens des Dipl.-Psych. K. vom 28.06.2011 die seelische Störung der Bf und ebenso den Gesamt-GdB bis April 2010 mit einem GdB von 40. Danach - so Dr. K. im Gutachten vom 09.08.2011 - betrage der Gesamt-GdB wegen eines neu hinzugekommenen und mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertenden Tinnitus 50.
Der Beklagte unterbreitete daraufhin ein Vergleichsangebot, mit dem er einen GdB von 50 ab dem 16.05.2011 (Tag der Untersuchung durch Dr. K.) anbot. Die Bf nahm dieses Angebot am 04.11.2011 an. Gleichzeitig hat sie beim SG beantragt, die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. K. samt Zusatzgutachten der Staatskasse aufzuerlegen.
Mit Beschluss vom 09.07.2012, zugestellt am 27.07.2012, hat das SG die Hälfte der Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr. K. vom 09.08.2011 (i.V.m. dem Gutachten des Dipl.-Psych. K. vom 28.06.2011) auf die Staatskasse übernommen. Begründet worden ist dies damit, dass die Ausführungen im Gutachten des Dr. K. die Grundlage für die vergleichsweise Erledigung gewesen seien. Für den Zeitraum von der Antragstellung bis zur Begutachtung durch Dr. K. sei es aber bei der Einschätzung der Sachverständigen gemäß § 106 SGG verblieben.
Am 06.08.2012 hat die Bf Beschwerde gegen die nur teilweise Kostenübernahme eingelegt und dies damit begründet, dass die vergleichsweise Einigung im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. K. zurückzuführen sei; die Kosten seien daher voll auf die Staatskasse zu übernehmen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Kosten für das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten sind nicht nur zur Hälfte, sondern vollständig auf die Staatskasse zu übernehmen.
Nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG muss auf Antrag des behinderten Menschen ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann - wie dies im vorliegenden Fall auch erfolgt ist - davon abhängig gemacht werden, dass der Antragsteller die Kosten dafür vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts auch endgültig trägt (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG). Eine "andere Entscheidung" in diesem Sinn hat die Bf beim SG beantragt.
1. Kriterien für die Entscheidung über die Kostenübernahme
Die Entscheidung darüber, ob die Kosten eines gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen sind, wird als Ermessensentscheidung (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 109, Rdnr. 16) des Gerichts bezeichnet, das das Gutachten angefordert hat (vgl. Keller, a.a.O., § 109, Rdnr. 18). Bei der Entscheidung über die Kostenübernahme auf die Staatskasse ist zu berücksichtigen, ob das Gutachten die Sachaufklärung objektiv wesentlich gefördert und somit Bedeutung für die gerichtliche Entscheidung oder den Ausgang des Verfahrens gewonnen hat (vgl. Keller, a.a.O., § 109, Rdnr. 16a). Entscheidend ist dabei, ob durch das Gutachten neue beweiserhebliche Gesichtspunkte zu Tage getreten sind oder die Beurteilung auf eine wesentlich breitere und für das Gericht und die Beteiligten überzeugendere Grundlage gestellt worden ist. Von einer Förderung der Sachaufklärung ist regelmäßig dann auszuge...