Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Erstattung der Kosten einer notwendigen Begleitperson anlässlich eines Begutachtungstermins. Brutto-Verdienstausfall. Bemessung der notwendigen Fahrtkosten mittels Routenplaner
Leitsatz (amtlich)
Einem Kläger sind gemäß § 7 Abs 1 S 2 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) die notwendigen Auslagen für eine Begleitperson zu erstatten. Ob eine Begleitperson erforderlich ist, ist eine Tatfrage und in Zweifelsfällen vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden.
Notwendige Auslagen können auch in einem nachweislich vorliegenden Brutto-Verdienstausfall der Begleitperson bestehen. - Routenplaner sind geeignete Hilfsmittel, um die notwendigen Fahrtkosten im Sinne von § 5 Abs 2 JVEG zu bemessen.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers anlässlich der Wahrnehmung des Untersuchungstermines bei Prof. Dr. B. am 16.05.2008 wird gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf 309,00 Euro festgesetzt. Dem Antragsteller sind 80,00 Euro nachzubewilligen.
Gründe
I.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit des Klägers und hiesigen Antragstellers gegen die Berufsgenossenschaft der Gas-, Fernwärme- und Wasserwirtschaft mit Az.: L 17 U 267/05 ist Prof. Dr. B. in D. gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur ärztlichen Sachverständigen bestellt worden.
Der Antragsteller ist zur Untersuchung am 16.05.2008 in den frühen Morgenstunden des 16.05.2008 angereist und um 21.00 Uhr desselben Tages wieder zu Hause angekommen. Er hat sich hierbei von seinem Sohn mit dem PKW fahren lassen.
Die Kostenbeamtin des BayLSG hat mit Abrechnung vom 02.03.2009 insgesamt 229,00 EUR bewilligt, die sich wie folgt aufschlüsseln:
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Entschädigung bei Nachteilsausgleich |
18,00 EUR |
Fahrtkosten für 796 km |
199,00 EUR |
Aufwand (Tagegeld) |
12,00 EUR |
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229,00 EUR |
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 10.05.2009 Einspruch erhoben und vorgetragen, auch die Auslagen für seinen Sohn als notwendige Begleitperson seien zu erstatten. Als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 habe er die Strecke von 800 km an einem Tag nicht fahren können. Wegen der Verabreichung von Kontrastmitteln im Rahmen der gerichtsärztlichen Begutachtung sei es ihm auch nicht möglich gewesen, selbst zu fahren. Die gerichtlich bestellte Sachverständige habe die Notwendigkeit der Autobenützung sowie einer Begleitperson bestätigt.
Der Kostenbeamte des BayLSG hat dem Begehren des Antragstellers nicht abgeholfen und den Vorgang samt der zugehörigen Unfall-Streitakten dem 15. Senat des BayLSG als Kostensenat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs.1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte dies mit Schreiben vom 10.05.2009 sinngemäß beantragt. Die Entschädigung des Antragstellers anlässlich der Wahrnehmung des Untersuchungstermins vom 16.05.2008 bei Prof. Dr. B. ist auf insgesamt 309,00 EUR festzusetzen. Dem Antragsteller sind 80,00 EUR nachzubewilligen.
Das BayLSG hat es mit Beschluss vom 08.06.2007 - L 17 U 70/05.Ko und L 17 U 71/05.Ko nicht als erforderlich angesehen, dass sich der Antragsteller von seiner Ehegattin zu Untersuchungen am 07.04.2006 in E. und 30.03.2007 in W. hat begleiten lassen. Gleiches hat entsprechend dem Beschluss des BayLSG vom 10.07.2009 - L 17 SF 151/09 für die Begleitung des Klägers durch seine Ehegattin zur Untersuchung vom 25.06.2007 in B. gegolten.
Zwischenzeitlich ist jedoch insoweit eine Sachverhaltsänderung eingetreten, als der Kläger nunmehr auch an einer Zuckerkrankheit mit Diät und Insulin einstellbar leidet. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Mittelfranken hat mit Änderungsbescheid vom 12.06.2008 deswegen den GdB mit Wirkung ab 08.05.2008 von bisher 70 auf nunmehr 80 angehoben.
Auch wenn die gerichtlich bestellte Sachverständige Prof. Dr. B. mit Bestätigung vom 16.05.2008 eine Autobenützung sowie eine Begleitperson vor allem deswegen als notwendig erachtet hat, weil Zugverbindungen zu den Uhrzeiten nicht möglich gewesen sind, also nichtärztliche Gründe hierfür ausschlaggebend erachtet worden sind, stehen dem Antragsteller dennoch die notwendigen Auslagen für seinen Sohn als Begleitperson gemäß § 7 Abs.1 Satz 2 JVEG zu.
Ob eine Begleitperson erforderlich ist, ist eine Tatfrage und in Zweifelsfällen vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (Meyer/Höver/Bach: Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 24. Auflage, Rz.7.15).
Hier treffen zwei Umstände zusammen, die es gebieten, die Auslagen für den Sohn als Fahrer und Begleitperson auf die Staatskasse zu übernehmen: Zum einen hat sich der Gesundheitszustand des Klägers zwischenzeitlich verschlechtert. Das Hinzutreten eines Diabetes mellitus zu den übrigen bereits festgestellten Funktionsstörungen hat zu einer Anhebung des GdB von bisher 70 auf nunmehr 80 geführt. Zum anderen haben der Antragsteller und sein Sohn die Abreise von der Wohnung um 2.3...