Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfe. beigeordneter Rechtsanwalt. Beiordnungsbeschluss. Bindungswirkung im Kostenverfahren. Voraussetzung für die wirksame Erteilung einer Prozessvollmacht. Mandatierung nach Insolvenzeröffnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Umfang des Vergütungsanspruchs gegen die Staatskasse ist nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig. Für die Wirksamkeit der Beiordnung ist es unerheblich, ob das Gericht sie überhaupt oder in diesem Rahmen anordnen durfte. Die Zulässigkeit der Beiordnung ist jedenfalls in der Kosteninstanz nicht nachprüfbar (Toussaint in Hartmann/ders, Kostenrecht, 50. Aufl 2020, Rn 16). Solange der Beschluss über die Beiordnung wirksam und nicht nach § 124 ZPO aufgehoben wurde, ist er für das Kostenverfahren bindend.

2. Die Erteilung einer Prozessvollmacht gem § 80 ZPO setzt lediglich voraus, dass die Partei prozessfähig ist.

3. Der wirksam erteilten Prozessvollmacht steht die Bestimmung des § 117 InsO nicht entgegen, wenn der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten erst nach der Insolvenzeröffnung mandatiert hat. Denn in diesem Fall ist § 117 InsO schon tatbestandlich nicht einschlägig.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.03.2017, S 10 SF 157/16 E, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Vorliegend streiten die Beteiligten darüber, ob der Beschwerdegegnerin (Bgin) nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) trotz Insolvenz des Klägers ein Anspruch auf Vergütung gegen die Staatskasse zusteht.

Die Bgin erhob für den Kläger am 25.06.2013 Klage gegen das Jobcenter W. (Az. S 5 AS 579/13) mit dem Ziel einer Überprüfung diverser ablehnender Bescheide im Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II für die Jahre 2008 bis 2010. Zu ihrer Legitimation legte sie eine am 23.09.2010 ausgestellte Originalvollmacht "in Sachen B., ./. Hauptzollamt M-Stadt " "wegen Vollstreckungsankündigung" vor.

Das SG bewilligte dem Kläger mit Beschluss vom 07.04.2014 PKH ab Antragstellung und ordnete die Bgin bei. Im Erörterungstermin am 18.11.2015, den eine ortsansässige Anwältin in Untervollmacht wahrnahm, wurde zwischen den Parteien ein widerruflicher Vergleich geschlossen, den die Bgin am 02.12.2015 widerrufen hat. Zur Begründung gab sie an, sie habe einem gerichtlichen Hinweis folgend und in Anlehnung an das vom Gericht mit dem Insolvenzverwalter F. & W. M-Stadt geführte Telefonat dem Insolvenzverwalter die Sitzungsniederschrift vorgelegt. In diesem Zusammenhang habe sie erfahren, dass über das Vermögen des damaligen Klägers tatsächlich - wie dieser erstmals im Termin am 18.11.2015 angegeben hatte - am 20.06.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und die Forderungen des damaligen Beklagten automatisch in dieses Insolvenzverfahren einfließen würden. Die Beklagte müsse ihre Forderung daher zur Tabelle anmelden.

Das Gericht teilte daraufhin den Parteien am 15.12.2015 mit, dass das am 25.06.2013 anhängig gewordene Verfahren durch die Insolvenzeröffnung am 20.06.2012 gem. § 240 ZPO kraft Gesetzes zwingend unterbrochen und bis dato nicht mehr aufgenommen worden sei. Das Verfahren Az. S 5 AS 579/13 wurde sodann bei Gericht statistisch beendet.

Am 29.08.2016 beantragte die Bgin, ihre aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG (75% der Höchstgebühr)

240,00 €

Verfahrensgebühr bei Vertretung in einem Termin,

Nr. 3401, 3103 VV RVG

120,00 €

Terminsgebühr bei Vertretung in einem Termin,

Nr. 3402, 3106 VV RVG

380,00 €

Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen

nach Einzelbeleg Nr. 7001 VV RVG

25,28 €

19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

145,40 €

Gesamtbrutto

910,68 €

Mit Beschluss vom 15.09.2016 lehnte die Kostenbeamtin eine Entschädigung der Bgin aus der Staatskasse vollständig ab. Wegen des am 20.06.2012 eröffneten Insolvenzverfahrens sei die Vollmacht vom 23.09.2010 nach § 117 InsO erloschen, eine gültige Vollmacht des Insolvenzverwalters sei nicht vorgelegt worden. Damit fehle es an einer Vollmacht als Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch.

Hiergegen richtet sich die am 27.09.2016 eingelegte Erinnerung der Bgin mit dem wesentlichen Vorbringen, die von ihr vorgelegte Vollmacht sei nicht nach § 117 Abs. 1 InsO erloschen, weil der damalige Kläger erstmals im Termin am 18.11.2015 von der Insolvenz berichtet habe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe niemand, auch sie selbst nicht, Kenntnis von einem laufenden Insolvenzverfahren gehabt. Somit habe bis zur Mitteilung von der anhängigen Insolvenz die Vollmacht/der Auftrag fortbestanden. Ihre unverschuldete Unkenntnis von der Insolvenz könne nicht zu ihren Lasten gehen. Der Anspruch auf Vergütung im Rahmen der Prozesskostenhilfe habe demnach mindestens bis einschließlich zum Termin bestanden.

Das SG hat mit Beschluss vom 08.03.2017 unter Aufhebung des Beschlusses vom 15.09.2016 festgestellt, dass der Bgin grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung ihrer g...

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