Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Keine Prozesskostenhilfe bei fehlender hinreichender Aussicht auf Erfolg
Leitsatz (amtlich)
1. Sieht das Gericht sowohl zum Zeitpunkt der Beantragung von PKH als auch zum Zeitpunkt des PKH Beschlusses keinen Anlass für weitere Ermittlungen in der Sache und keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, ist der PKH Antrag abzulehnen.
2. Die Einholung eines Gutachtens gem. § 109 SGG stellt grundsätzlich keine Beweisaufnahme dar, die die Gewährung von PKH begründen kann.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 19. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Zugrunde liegt ein Rechtsstreit aus dem Schwerbehindertenrecht, in dem der Kläger und jetzige Beschwerdeführer die Feststellung eines Grads der Behinderung (GdB) von 80 statt bisher 60 und der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G begehrt.
Mit Bescheid vom 06.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.03.2015 lehnte es der Beschwerdegegner ab, betreffend den GdB eine Neufeststellung nach § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zu treffen und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G festzustellen.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 31.03.2015 Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben. Nach Einholung von Befundberichten bei den behandelnden Ärzten des Beschwerdeführers hat das SG ein internistisches Gutachten bei Dr. M. und ein orthopädisches Gutachten bei Dr. H. eingeholt. Beide Gutachter sind zu der Einschätzung gekommen, dass der bislang anerkannte GdB von 60 zutreffend sei und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht vorlägen (Gutachten vom 02.07.2015 bzw. vom 25.08.2015).
Nachdem dem Beschwerdeführer mit Schreiben des SG vom 01.09.2015 die eingeholten Gutachten mit Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage übersandt worden waren, hat er mit Schreiben vom 11.09.2015 die Einholung eines psychologischen Gutachtens bei einer von ihm namentlich benannten Diplom-Psychologin und anschließend mit Schreiben vom 11.09.2015 die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Mit Schreiben vom 14.10.2015 hat er zudem mitgeteilt, dass er voraussichtlich ab dem 21.10.2015 zu einer stationären Schmerztherapie im Krankenhaus A-Stadt-H. aufgenommen werde.
Mit Beschluss vom 19.10.2015 hat das SG den Antrag auf PKH abgelehnt. Es hat dies damit begründet, dass die Klage zum Zeitpunkt der Antragstellung auf PKH keine Aussicht auf Erfolg biete, da die beiden überzeugenden gerichtlichen Gutachten das klägerische Begehren nicht stützen würden.
Dagegen hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19.11.2015 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er laufe - so der Beschwerdeführer - jetzt mit zwei Prothesen und einer Krücke. Leider könne er diese nicht lange tragen. Vielleicht wisse das Gericht einen Arzt.
Der Senat hat die sozialgerichtlichen Akten beigezogen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber unbegründet.
Die Entscheidung des SG, die Gewährung von PKH wegen fehlender Aussicht auf Erfolg abzulehnen, ist nicht zu beanstanden. Der Senat kann zu keinem Zeitpunkt eine hinreichende Aussicht auf Erfolg erkennen.
1. Voraussetzungen für die Gewährung von PKH - allgemein
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Das Tatbestandsmerkmal der hinreichenden Aussicht auf Erfolg ist unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bezüge auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes geboten. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.1979, Az.: 1 BvL 97/78). Verfassungsrechtlich ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von PKH davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Aussicht auf Erfolg soll aber nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, Az.: 2 BvR 94/88). Nach der Rechtsprechung ...