Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Anforderungen an die Erfolgsaussicht. Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfegesuchs. bewilligungsreifer Antrag. Entscheidungsreife und zeitgleiches Angebot eines Anerkenntnisses. Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht im Verfahren der Prozesskostenhilfe ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art 3 Abs 1, Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 GG abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (vgl Beschlüsse des BVerfG vom 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04 = NJW-RR 2005, 140; vom 14.4.2003 - 1 BvR 1998/02 = BVerfGK 1, 111 und vom 12.1.1993 - 2 BvR 1584/92; des LSG München vom 19.7.2011 - L 15 VG 5/11 B PKH).
2. Entscheidungsreif ist ein Prozesskostenhilfegesuch, wenn ein Antragsteller einen bewilligungsreifen Antrag vorgelegt hat (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 14.4.2010 - 1 BvR 362/10) und der Gegner nach § 73a SGG iVm § 118 Abs 1 S 1 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat (Beschlüsse des LSG München vom 2.11.2011 - L 11 AS 634/11 B PKH, des LSG Essen vom 20.9.2011 - L 19 AS 1509/11 B ER, L 19 AS 1510/11 und des LSG Stuttgart vom 27.2.2009 - 13 AS 4995/08 PKH-B).
3. Die Chance auf den Erfolg eines einstweiligen Rechtsschutzersuchens entfällt, wenn gleichzeitig mit dem Eintritt der Entscheidungsreife bei der Erwiderung des Prozessgegners das Angebot eines Anerkenntnisses erfolgt.
4. Entscheidungsreife liegt erst vor, wenn die notwendige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 73a Abs 1 SGG, § 117 Abs 2 ZPO) vorliegt.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 23. September 2011 (Prozesskostenhilfe) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand dieses Verfahrens ist eine Beschwerde gegen Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren in erster Instanz.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Ast) bezieht zusammen mit ihrer Bedarfsgemeinschaft vom Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Ag) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II). Den Antrag vom 09.08.2011 auf einstweilige Anordnung für ein Darlehen zur Tilgung der Schulden aus Energiebezugsleistungen (Strom und Gas) lehnte das Sozialgericht Regensburg (SG) mit Beschluss vom 23.09.2011 ab; gleichzeitig lehnte es auch den Antrag auf Bewilligung von PKH ab.
Die Ast erhielt die Regelleistung und Kosten für Unterkunft und Heizung, insbesondere für Strom (Haushaltsenergie) und Gas (Heizung und Warmwasser). Bis Oktober 2010 zahlte der Ag auf Wunsch der Ast den monatlichen Gasabschlag jeweils direkt an den Versorger. Ab Dezember 2010 wurden die Kosten für Unterkunft und Heizung an die Ast ausbezahlt. Ab September 2011 werden die Abschlagszahlungen für Gas und Strom monatlich wiederum auf Wunsch der Ast an den Versorger direkt gezahlt.
Am 09.04.2011 machte der Versorger gegenüber der Ast eine Nachzahlung für Gas in Höhe von 366,37 € für die Zeit ab 21.04.2010 geltend. Am 30.04.2011 berechnete der Stromversorger für das vorangegangene Bezugsjahr eine Nachforderung in Höhe von 1.351,20 €, weil die Ast ab Mai 2011 weder Abschlagszahlungen für Strom, noch für Gas an ihren Versorgungsbetrieb gezahlt hatten. Zum 14.06.2011 beliefen sich die Stromrückstände auf 1.473,20 €.
Einen Antrag auf Übernahme der Stromschulden lehnte der Ag mit Bescheid vom 14.07.2011 ab. Am 18.07.2011 beliefen sich die Gasrückstände auf 855,37 €, die Stromrückstände auf 1.693,20 €.
Mit Bescheid vom 02.08.2011 lehnte der Ag die Übernahme von Strom- und Gasschulden als Darlehen ab. Es seien nicht alle Selbsthilfemöglichkeiten ausgeschöpft worden. Ferner sei angemessener Wohnraum im Zuständigkeitsbereich vorhanden und könne angemietet werden, Wohnungslosigkeit drohe daher nicht unmittelbar. Mit weiterem Bescheid vom 22.08.2011 lehnte der Ag die Übernahme einer Nachzahlung für Gas ab. Im Abrechnungszeitraum sei unter Berücksichtigung des Abzugs für Warmwasserkosten im Jahr 2010 ein Betrag an Heizkosten bereits bezahlt worden, der über dem der tatsächlich angefallenen Heizkosten liege.
Am 09.08.2011 hat die Ast beim SG beantragt, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, darlehensweise Schulden aus Gas- und Strombezug in Höhe von 2.548,57 € zu übernehmen. Der Versorger habe der Ast angedroht, die Strom- und Gaslieferungen zu sperren. Sie hätten daher gemäß § 22 Abs.8 SGB II einen Anspruch auf Übernahme der Schulden.
Am 16.08.2011 hat sich der Ag bereit erklärt Stromschulden aus der Jahresabrechnung vom 30.04.2011 in Höhe von 1351,20 € als Darlehen übernehmen.
Mit Beschluss vom 23. September 2011 hat da...