Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten zum Meldetermin
Leitsatz (amtlich)
1. Fahrten zum Meldetermin sind grundsätzlich aus dem Regelbedarf zu bestreiten.
2. Fahrtkosten zum Meldetermin können vom Jobcenter im Rahmen einer Ermessensentscheidung erstattet bzw. vorgestreckt werden. Bei Mittellosigkeit des Leistungsberechtigten ist dabei das Ermessen auf Null reduziert.
3. Mittellosigkeit stellt grundsätzlich keinen wichtigen Grund dar, zum Meldetermin nicht zu erscheinen, wenn hierfür Fahrtkosten entstehen. Allerdings ist das Jobcenter umgehend von der Mittellosigkeit zu informieren, damit es ggf. die Fahrtkosten vorstrecken kann.
4. Wer sich nachträglich bei Nichterscheinen zum Meldetermin auf Mittellosigkeit beruft, begeht eine Pflichtverletzung, die zur Absenkung der Leistung führt.
Normenkette
SGG § 144 Abs. 2 Nrn. 1-2; SGB II § 59 S. 1, § 32 Abs. 1 S. 1; SGB III § 309 Abs. 4
Tenor
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Bf.) wendet sich gegen eine Absenkung ihres Regelbedarfs für die Zeit vom 01.09.2012 bis 30.11.2012 um 10 v.H. monatlich durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Bg.).
Nachdem die Bf. mit Schreiben vom 23.07.2012 dem Bg. mitgeteilt hatte, dass sie am 24.07.2012 zum angesetzten Meldetermin nicht erscheinen werde, da sie noch ein anhängiges arbeitsgerichtliches Verfahren habe, senkte der Bg. nach Anhörung der Bf. mit Bescheid vom 09.08.2012 den Regelbedarf um 10 v.H. monatlich für die Monate September bis einschließlich November 2012 ab.
Mit Widerspruch vom 20.08.2012 trug die Bf. erstmals weitere Gründe für ihr Meldeversäumnis vor. Sie habe sich zum Meldetermin mitten im Umzug befunden und deshalb einen längeren Anfahrtsweg zum Jobcenter gehabt. Außerdem gelte ihr Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr nur für vier Ringe und nicht für die zur Anreise notwendigen fünf Ringe. Für einen Extrafahrschein habe sie kein Geld gehabt. Das Sozialticket würde zudem erst ab 9.00 Uhr gelten. Den Meldetermin um 10.30 Uhr habe sie deshalb - auch wegen ihrer unzureichenden Ortskenntnis - nicht einhalten können.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Bei dem ursprünglich angegebenen Grund eines Termins beim Arbeitsgericht habe es sich um keinen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes gehandelt, der ein Fernbleiben beim Meldetermin gerechtfertigt habe. Der Termin beim Arbeitsgericht sei nicht am Tag des Meldetermins gewesen. Die erstmals im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Gründe seien allesamt keine wichtigen Gründe für das Fernbleiben. Die Bf. hätte das Sozialticket ab 9.00 Uhr nutzen können, wenn sie sich vorher genügend um die Örtlichkeiten gekümmert hätte. Dann hätte sie nur einen Ring zusätzlich lösen müssen. Wenn sie den hierfür notwendigen geringen Geldbetrag nicht gehabt hätte, hätte sie sich vorher an den Bg wenden können.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht München mit Urteil vom 17.07.2013 als unbegründet ab.
Ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen zum Meldetermin läge nicht vor. Die Meldeaufforderung des Bg. vom 16.07.2012 sei mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen gewesen. Die Bf. habe gegen ihre Obliegenheit zur Meldung pflichtwidrig verstoßen.
Die ursprüngliche Begründung für die Terminabsage, der anhängige Rechtsstreit am Arbeitsgericht B-Stadt, habe die Bf. nicht dazu berechtigt, dem Meldetermin fern zu bleiben. Der arbeitsgerichtliche Termin habe am 21.06.2012 stattgefunden, so dass die Bf. nicht gehindert gewesen sei, den Gesprächstermin beim Bg. am 24.07.2012 wahrzunehmen.
Die übrigen im Widerspruchsverfahren erstmals vorgetragenen Gründe seien ebenfalls keine wichtigen Gründe. Insbesondere stelle der vorgetragene Grund der fehlenden finanziellen Mittel für die Anreise zum Termin keinen Hinderungsgrund für das Nichterscheinen am 24.07.2013 dar. Die Bf. habe ein Sozialticket besessen, das sie auch hätte benutzen können, da der Meldetermin erst um 10.30 Uhr vereinbart war. Die zusätzliche Aufwendung für eine Fahrkarte zum Bg, nämlich ein Einzelticket für eine Zone, sei zumutbar gewesen. Insgesamt habe die Bf. keine hinreichenden Eigenbemühungen unternommen, um den Termin wahrzunehmen.
Die Berufung wurde im Urteil nicht zugelassen.
Hiergegen hat die Bf. Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Gleichzeitig wurde Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gestellt.
Es habe ein wichtiger Grund für ihr Fernbleiben vorgelegen, insbesondere habe das SG den tatsächlichen Sachverhalt nicht richtig gewürdigt, da die Bf. absolut mittellos gewesen sei. Dies stelle einen wichtigen Grund für das Fernbleiben dar. Außerdem habe die Bf. die Fahrtkosten aus der Regelleistung weder aufbringen können noch müsse...