Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Streitwertfestsetzung bei einer Klage gegen eine Anspruchsüberleitung
Leitsatz (amtlich)
I. Bei einer Überleitung nach § 93 SGB XII ist der Streitwert in aller Regel auf 5.000,00 € festzusetzen.Maßgeblich für das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller/Beschwerdeführer ist nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) der Klageantrag, der im Rahmen des Verfahrensgegenstandes auszulegen ist und somit auf die Prüfung der sog. Negativevidenz des übergeleiteten Anspruchs beschränkt ist. Nach dem Grundsatz der sog. Negativevidenz ist lediglich zu prüfen, ob der übergeleitete Anspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.
II. Für einen Abschlag von 50% von der Höhe der übergeleiteten Forderung bietet § 52 GKG keine Rechtsgrundlage. Ein solcher Abschlag wird auch nicht dem Grundsatz der sog. Negativevidenz gerecht.
Tenor
Die Beschwerden des Beschwerdeführers zu 1) und des Beschwerdeführers zu 2) gegen Ziffer III des Gerichtsbescheids vom 15.04.2019 werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) war die Überleitung eines Rückforderungsanspruchs des Vaters des Beschwerdeführers zu 1), K. A. (M), aus einer Schenkung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück mit Haus an den Beschwerdeführer zu 1) auf den Beschwerdegegner gemäß § 93 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Der Beschwerdegegner gewährte M anlässlich eines Heimaufenthalts im Seniorenzentrum K. seit dem 25.09.2014 Grundsicherung, sonstige Hilfe zum Lebensunterhalt als Barbetrag zur persönlichen Verfügung sowie Hilfe zur Pflege. Eigentümer des Grundstückes A-Straße in M-Stadt war M. Am 22.02.2006 ließ M das Haus in zwei Eigentumswohnungen (EG und 1. Stock) mit Teilungserklärung nach § 8 WEG aufteilen (URNr. xxx/2005). Hierbei umfasste die Wohnung im Erdgeschoss einen Anteil in Höhe von 65/100, bestehend aus der Wohnung im Erdgeschoss, beiden Räumen im Kellergeschoss, den Räumen im Dachgeschoss sowie beiden Garagen nebst Abstellräumen. Mit Überlassungsvertrag (URNr. xxx/2011) vom 06.06.2011 überließ M dem Beschwerdeführer zu 1) unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge den Miteigentumsanteil in Höhe von 65/100 betreffend die Wohnung im Erdgeschoss. Es wurde vereinbart, dass der Beschwerdeführer zu 1) keine Gegenleistung zu erbringen habe. Das Eigentum wurde von M lastenfrei an den Beschwerdeführer zu 1) übergeben, der seiner Mutter ohne rechtliche Verpflichtung ein Wohnrecht im Haus gewährte. Sie hat lediglich Nebenkosten in Höhe von 170,00 € monatlich zu zahlen.
Mit Bescheid vom 10.11.2017 (Widerspruchsbescheid vom 06.03.2018) leitete der Beschwerdegegner den Rückforderungsanspruch des M gegen den Beschwerdeführer zu 1) aus der am 06.06.2011 getätigten Schenkung (Immobilienübergabe) ab 01.01.2015 über. Der Herausgabeanspruch bestehe bis zur Höhe des Schenkungswertes von 74.936,00 €. Eine Schenkung sei nicht auszuschließen, die vorgebrachten Argumente beträfen ausschließlich den zivilrechtlichen Charakter der Schenkung. Die Ermessensausübung habe ergeben, dass ein verbleibender Anspruch in Höhe bis zu 74.936,00 € übergeleitet werde, da den Eltern bzw. der Mutter des Beschwerdeführers zu 1) u.a. ein mietfreies Wohnen gewährleistet werde.
Die am 09.04.2018 hiergegen erhobene Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 15.04.2019 abgewiesen (Ziff. I), die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer zu 1) auferlegt (Ziff. II) und den Streitwert auf 5.000,00 € festgesetzt (Ziff. III). Bei einer Überleitung nach § 93 SGB XII bestünden in aller Regel keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts; vielmehr sei nach § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) der sogenannte Auffangstreitwert von 5.000,00 € anzunehmen. Für Streitfälle um einen Auskunftsanspruch des Sozialhilfeträgers nach § 117 SGB XII sei die regelmäßige Annahme des Auffangstreitwerts anerkannt (vgl. BSG, Beschluss vom 14.05.2012 - B 8 SO 78/11 B). Zwar diene die sog. Überleitung (Übergang von Ansprüchen) nach § 93 SGB XII - anders als ein Auskunftsanspruch nach § 117 SGB XII - nicht allein der Vorbereitung einer Herstellung des Nachrangs der Sozialhilfe. Die Überleitung stelle den Nachrang der Sozialhilfe vielmehr selbst her. Ebenso wie beim Auskunftsanspruch könne jedoch auch im Fall der Überleitung (noch) nicht festgestellt werden, ob bzw. in welcher Höhe der übergeleitete Anspruch tatsächlich bestehe oder durchsetzbar sei. Denn ebenso wie bei einem Auskunftsanspruch sei eine Überleitungsanzeige nur dann rechtswidrig, wenn das Bestehen des (übergeleiteten) Anspruchs evident ausgeschlossen sei (sog. Grundsatz der Negativevidenz; vgl. z.B. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 93 Nr. 13 und § 117 Rn. 16 m. w. N.; ferner BSG, Beschluss vom 25.04.2013 - B 8 SO 104/12 B). Die Überleitung bewirke für den (möglichen) Anspruch deshalb lediglich einen Wechsel der Gläubigerstellung weg vom ursprünglichen Inhaber hin zum Sozialhilfeträger. Hingegen stehe mit der Überlei...