Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Vergütung eines Sachverständigen für eine Stellungnahme anlässlich eines Befangenheitsantrags

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat sich der Sachverständige ausschließlich zu einem Befangenheitsgesuch im Rahmen seiner Anhörung dazu geäußert, steht ihm eine Vergütung nach dem JVEG nicht zu. Der Ausschluss einer Vergütung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn vom Sachverständigen eine Äußerung zum Befangenheitsantrag verlangt und auch nur eine solche gegeben und anschließend vom Gericht verwertet worden ist.

2. Wegen des Leitgedankens der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter sind schematische Gesichtspunkte für die Abgrenzung einer - nach dem JVEG zu vergütenden sachverständigen Äußerung von einer - nicht nach dem JVEG zu vergütenden - Stellungnahme des Sachverständigen im Rahmen der Anhörung zu einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsgesuch zugrunde zu legen.

3. Kriterien im Einzelnen: Formulierung der gerichtlichen Anforderung der Stellungnahme, Verfügung des Hauptsacherichters nach Eingang der Stellungnahme zur Vergütung dem Grunde nach (Formblatt), Mitübersendung der Akten.

4. Ist es offensichtlich, dass sich der Sachverständige nicht nur als Sachverständiger, sondern auch zu einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag geäußert hat, ist nur der Anteil der Äußerungen nicht nach dem JVEG zu vergüten, der zweifelsfrei nicht den sachverständigen Äußerungen zuzuschreiben ist. Wegen der geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter wird eine detaillierte und exakte Prüfung jedes einzelnen Satzes auf seinen Bezug nicht erwartet.

 

Tenor

Die Vergütung für die Stellungnahme vom 29.01.2016 wird auf 369,21 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob dem Antragsteller für seine in Zusammenhang mit einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag angefertigte Stellungnahme vom 29.01.2016 eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zusteht.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 20 (später: 19) R 1019/14 geführten rentenrechtlichen Verfahren hatte der Antragsteller, der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ist, im Auftrag des Gerichts am 30.11.2015 ein Gutachten erstellt.

Die Bevollmächtigte des dortigen Klägers nahm mit 6-seitigem Schreiben vom 17.12.2015 zu diesem Gutachten Stellung. Dabei lehnte sie auf Seite 1 dieses Schreibens zunächst den Antragsteller wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründete dies damit, dass der Antragsteller einer von zwei Partnern eines Gutachtensinstituts sei und der andere Partner bereits im erstinstanzlichen Verfahren ihres Mandanten tätig gewesen sei. Zudem hat sie die Befangenheit mit dem Inhalt des Gutachtens und einer aus ihrer Sicht fehlenden Sachlichkeit des Antragstellers begründet. Anschließend erhob sie ab Seite 3 Mitte auch inhaltliche Einwendungen gegen das Gutachten. Zudem legte sie ein ärztliches Attest und Unterlagen zu medizinischen Therapien vor.

Den Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 17.12.2015 leitete der Hauptsachesenat, nunmehr unter dem Aktenzeichen des Verfahrens wegen des Befangenheitsantrags (L 19 SF 359/15 AB), mit Schreiben vom 26.01.2016 dem Antragsteller mit folgenden Worten zu:

"Sehr geehrter Herr Dr. A.,

in dem Rechtsstreit ...

erhalten Sie beiliegend eine Abschrift des Schriftsatzes vom 17.12.2015 samt Anlagen zur Kenntnis und Stellungnahme (3-fach).

Mit freundlichen Grüßen"

Die Akten des Hauptsacheverfahrens wurden dem Antragsteller nicht nochmals zur Verfügung gestellt.

Unter dem Datum des 29.01.2016 äußerte sich der Antragsteller auf sechseinhalb Seiten zu den von der Bevollmächtigten des Klägers erhobenen Einwänden gegen sein Gutachten, wobei er auf rund einer halben Seite explizit auf den Vorwurf der Befangenheit wegen des mit dem erstinstanzlichen Gutachters zusammen geführten Gutachtensinstituts einging.

Mit der Stellungnahme vom 29.01.2016 legte der Antragsteller eine Rechnung über 369,21 € für die von ihm angefertigte Stellungnahme mit einem angegebenen Arbeitsaufwand von vier Stunden vor, wobei er die Honorargruppe M 2 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zu Grunde legte und Schreibgebühren, Umsatzsteuer und Porto ansetzte.

Am 07.12.2015 verfügte der Hauptsacherichter auf dem dafür vorgesehenen Formblatt, dass gegen eine Vergütung des Antragstellers für die Stellungnahme vom 29.01.2016 dem Grunde nach keine Bedenken bestünden.

Die Kostenbeamtin des LSG lehnte mit Schreiben vom 10.02.2016 eine Vergütung des Antragstellers für seine Stellungnahme vom 29.01.2016 ab, da diese im Rahmen des Ablehnungsgesuchs des Klägers gegen die Person des Antragstellers abgegeben worden sei. Die Stellungnahme sei damit nicht Teil einer geforderten Sachverständigenleistung, sondern lediglich eine "anlässlich der Gutachtertätigkeit" ausgeführte Maßnahme, für die das JVEG keine Vergütung vorsehe.

Dagegen hat sich der Antragsteller mit Sc...

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