Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Anrechnung einer im Widerspruchsverfahren (nach alter Rechtslage) entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. KostRMoG 2. Anrechnungsbetrag. tatsächlich geleistete Zahlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Anrechnung nach der Vorbemerkung 3 Abs 4 VV RVG (juris: RVG-VV) ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Geschäftsgebühr nach dem RVG in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung verdient wurde.

2. Anzurechnen nach Vorbem 3 Abs 4 VV RVG auf die Verfahrensgebühr sind aber nur tatsächlich geleistete Zahlungen auf die Geschäftsgebühr (Fortführung von LSG München vom 2.12.2015 - L 15 SF 133/15 = JurBüro 2016, 84).

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers wird zurückgewiesen.

II. Die Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist das Rechtsanwaltshonorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdegegner und Anschlussbeschwerdeführer (Beschwerdegegner) nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse als Beschwerdeführer und Anschlussbeschwerdegegner (Beschwerdeführer) zusteht. Streitig ist allein, ob und in welcher Höhe die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.

Im zugrundeliegenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) mit dem Aktenzeichen S 16 AS 621/13 begehrte der Kläger die Aufhebung eines Bescheides über die Feststellung und Geltendmachung eines Ersatzanspruchs nach dem Sozialgesetz-buch Zweites Buch (SGB II). Am 13.11.2013 erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten, den Beschwerdegegner, Klage und beantragte PKH. Diesem Antrag wurde in der mündlichen Verhandlung mit gerichtlichem Beschluss vom 03.04.2014 ab Antrag-stellung entsprochen und der Beschwerdegegner beigeordnet. Das Verfahren endete am 03.04.2014 mit dem Abschluss eines Vergleiches. Zugleich erklärte sich der Beklagte bereit, 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen.

Da der Beschwerdegegner den Kläger bereits in dem dem vorgenannten Ausgangsverfahren vorausgehenden Vorverfahren vertreten hatte, erstattete der Beklagte aufgrund der vergleichsweisen Kostenregelung an den Beschwerdegegner 103,13 Euro als Gebühr für das Vorverfahren (Kostenfestsetzungsbeschluss des SG vom 04.06.2014). In seiner Kostenaufstellung für das Widerspruchsverfahren hatte der Beschwerdegegner eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 240,00 Euro zugrunde gelegt. Dem Kläger selbst war für das Widerspruchsverfahren Beratungshilfe bewilligt worden, so dass gegenüber dem Kläger lediglich einen Anspruch auf die Beratungshilfegebühr der Nr. 2500 VV RVG (aF) im Umfang von 10,- Euro bestand. Weitere Zahlungen hatte der Beschwerdegegner für das Widerspruchsverfahren nicht erhalten.

Mit Kostennote vom 11.04.2014 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung der PKH-Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 1.468,52 Euro. Dabei setzte er unter anderem eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,- Euro an, ohne dabei eine Geschäftsgebühr in Anrechnung zu bringen.

Mit Beschluss vom 29.08.2014 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Würzburg die Vergütung des Beschwerdegegners auf insgesamt 1.218,62 Euro fest. Dabei rechnete er auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,- Euro nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG einen Betrag von 120,- Euro an.

Am 04.09.2014 legte der Beschwerdegegner gegen die Festsetzung des Urkundsbeamten Erinnerung ein und wandte sich allein gegen die Anrechnung. Hinsichtlich der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV RVG (aF) sei eine Anrechnung auf die nachfolgende Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren nicht vorgesehen. Unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 16.02.2012, Az. 4 WF 224/11, führte er aus, eine Anrechnung könne zudem allenfalls in dem Umfang stattfinden, als die Gebühr auch tatsächlich gezahlt worden sei.

Das SG hat der Erinnerung mit Beschluss vom 29. September 2014 teilweise stattgegeben und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 1.313,82 Euro festgesetzt. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in Höhe von 120,- Euro sei mangels tatsächlicher Zahlung in dieser Höhe unzulässig; anzurechnen sei lediglich eine Geschäftsgebühr in Höhe von 40,- Euro. Hierfür spreche zum einen der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG (in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung). Dass aber nur tatsächlich geleistete Zahlungen anzurechnen seien, ergebe sich u.a. aus § 55 Abs. 5 Satz 3, 4 RVG. Der nach dieser Vorschrift erforderlichen Angabepflicht von Zahlungen durch den Rechtsanwalt bedürfe es nicht, wenn die Gebührenanrechnung unabhängig davon erfolgen müsse, ob solche Zahlungen überhaupt geflossen seien. Zudem sei die Anrechnung der Geschäftsgebühr in fiktiver Höhe unabhängig von der tatsächlichen Zahlung nicht mit der sich aus § 15a Abs. 1 RVG für den Recht...

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