Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Hat der Sachverständige keine Möglichkeit, auf die Rechnungserstellung Einfluss zu nehmen, weil sein Dienstherr bzw. die Stelle, an die der Dienstherr den Anspruch auf Vergütung abgetreten hat, abrechnet, kann dem Sachverständigen bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 JVEG ein Drittverschulden nur zugerechnet werden, wenn ihm ein Aufsichts-, Organisations- oder Informationsverschulden vorzuwerfen ist.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Fertigung des fachorthopädischen Gutachtens vom 29.09.2008 in dem Rechtsstreit E. G. gegen Deutsche Rentenversicherung Nordbayern wird gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf 1.194,99 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer = 1.422,04 EUR festgesetzt. Dem Antragsteller sind 227,05 EUR nachzuentrichten (Rechnungs-Nr.: -900741).
Gründe
I.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit E. G. gegen Deutsche Rentenversicherung Nordbayern mit Az.: L 19 R 3/08 ist das gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gefertigte fachorthopädische Gutachten des Dr. K. vom 29.09.2008 am 13.10.2008 beim BayLSG eingegangen.
Hierfür hat die PVS Mosel/Saar e.V. mit Rechnung vom 29.09.2008 (Rechnungs-Nr.: -000741) insgesamt 1.594,99 EUR geltend gemacht. Eine Umsatzsteuer ist nicht in Rechnung gestellt worden.
Die Kostenbeamtin des BayLSG hat die Rechnung vom 29.09.2008 mit Nachricht vom 21.10.2008 auf insgesamt 1.194,99 EUR gekürzt. Rentengutachten zur Prüfung der Erwerbsminderung seien gemäß der Anlage 1 zu § 9 Abs.1 JVEG der Honorargruppe M2 zuzuordnen. Der Zeitaufwand für insgesamt 16 Stunden - wie beantragt - á 60,00 EUR sei mit 960,00 EUR zu vergüten.
Die PVS/Mosel-Saar e.V. hat mit Schreiben vom 26.10.2009 (Rechnungs-Nr. -900741) beantragt, auch die Umsatzsteuer in Höhe von 227,05 EUR zu erstatten. Aufgrund einer Überprüfung sei leider festgestellt worden, dass Gutachten umsatzsteuerpflichtig seien und die Klinik die Umsatzsteuer an das zuständige Finanzamt abführen müsse. Fälschlicherweise sei die Umsatzsteuer vom abgerechneten Nettohonorar berechnet und dann das zuständige Finanzamt überwiesen worden. Vorsorglich werde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Der Kostenbeamte des BayLSG hat dem Antrag nicht abgeholfen und den Vorgang dem 15. Senat des BayLSG zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Der erkennende Senat ist als der durch den Geschäftsverteilungsplan A (Rechtsprechung) des BayLSG bestimmte Kostensenat (vgl. hier: § 4 Abs.1 Nr.1 JVEG) auch unmittelbar für die Entscheidung über Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs.2 JVEG zuständig (vgl. in ständiger Rechtsprechung Beschluss des BayLSG vom 09.01.2006 - L 5 R 502/04 Ko; Beschluss des BayLSG vom 05.05.2008 - L 15 SF 17/08 R KO).
Der Antrag vom 26.10.2009 ist statthaft und zulässig. In der Regel sind nur der Anspruchsberechtigte nach § 1 JVEG und der Vertreter der Staatskasse antragsberechtigt. Hat jedoch ein Sachverständiger bzw. sein für ihn abrechnender Dienstherr wie hier den entstandenen Vergütungsanspruch abgetreten, so kann auch der Abtretungsnehmer die gerichtliche Festsetzung beantragen (Meyer/Höver/Bach, Kommentar zum JVEG, 24. Auflage Rz.4.6 zu § 4 JVEG).
Nach altem Kostenrecht, d.h. nach § 15 Abs.4 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG), waren auf die Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzuwenden. Die Verjährung war nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern nur auf entsprechende Einrede.
Demgegenüber bestimmen nunmehr § 2 Abs.1 Sätze 1 und 2 JVEG, die hier anzuwenden sind, weil der Gutachtensauftrag nach dem 30.06.2004 erteilt worden ist: "Der Anspruch auf Vergütung oder Entschädigung erlischt, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat, geltend gemacht wird. Die Frist beginnt im Fall der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten beauftragt hat."
Weiterhin ist in § 2 Abs.2 Satz 1 JVEG normiert: "War der Berechtigte ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist nach Abs.1 gehindert, gewährt ihm das Gericht auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung begründen."
Zur Problematik der nachträglichen Geltendmachung der Mehrwert- oder Umsatzsteuer haben sich das Landessozialgericht Thüringen mit Beschluss vom 18.06.2007 - L 6 B 77/07 SF und das BayLSG mit Beschluss vom 05.05.2008 - L 15 SF 17/08 R KO bereits grundlegend geäußert: Ein Sachverständiger muss danach seinen Vergütungsanspruch nach Grund und Höhe innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs.1 JVEG vollständig beziffern. Insofern kann er eine mit der Kostenrechnung nicht geltend gemachte Umsatzsteuer nachträglich nur unter der Voraussetzung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ...