Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeldes II wegen einer Sanktion. zweistufige Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Wenn eine Sanktion nach §§ 31 ff. SGB II für einen Zeitraum erfolgt, für den keine Leistungsbewilligung vorliegt, ist im einstweiligen Rechtsschutz eine zweistufige Prüfung erforderlich.
- Zunächst ist zu prüfen, ob die Klage gegen den Sanktionsbescheid gemäß § 86b Abs. 1 SGG eine aufschiebende Wirkung erzeugt.
- Falls die aufschiebende Wirkung besteht, ist zu prüfen, inwieweit eine einstweilige Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG einen vorläufigen Leistungsanspruch bewirkt.
Die aufschiebende Wirkung ist vorab zu prüfen, weil sie im Bereich von § 39 SGB II regelmäßig einen anderen Prüfungsmaßstab hat als die einstweilige Anordnung. Der Gesetzgeber hat durch § 39 SGB II in einer typisierenden Abwägung dem Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang eingeräumt.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 21. September 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist der Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeldes II für die Monate September, Oktober und November 2012 wegen einer Sanktion nach § 31 SGB II.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer kam im Jahr 2002 nach Deutschland. Er bezieht seit 01.01.2005 zusammen mit seiner Familie, seiner Ehefrau und beiden gemeinsamen Kindern (geboren 1990 und 2001), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II.
In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen und diversen Gerichtsverfahren über die Eingliederung des Antragstellers in Arbeit. Der Antragsteller begehrt aufgrund seiner vorhandenen Vorbildung eine Aus- oder Weiterbildung in einem elektro- oder informationstechnischen Beruf. In diesem Zusammenhang beruft sich der Antragsteller auf eine mündliche Verhandlung am Sozialgericht im September 2011. Dort sei vereinbart worden, eine mögliche Weiterbildung zu prüfen. In der Folge wurde im November 2011 eine Eignungsfeststellung durchgeführt, deren Ergebnisse nach Auffassung des Antragstellers seine Eignung für die gewünschte Weiterbildung untermauern. Am 12.12.2011 wurde dem Antragsteller eine Ausbildung zum Fachlageristen angeboten, später eine Ausbildung zum Teilezurichter (Regelausbildung zwei Jahre).
Mit Bescheid vom 14.04.2011 wurde das Arbeitslosengeld II des Antragstellers um 30 % der Regelleistung abgesenkt. Mit Bescheid vom 24.10.2011 wurde das Arbeitslosengeld II des Antragstellers wegen einer weiteren Pflichtverletzung um 60 % der Regelleistung abgesenkt. Zuletzt wurde mit Bescheid vom 15.05.2012 der vollständige Wegfall des Arbeitslosengelds II für die Monate Juni, Juli und August 2012 verfügt. Das dagegen gerichtete Eilverfahren blieb erfolglos (vgl. BayLSG, Beschluss vom 28.08.2012, L 7 AS 527/12 B ER).
Zuletzt wurden der Familie mit Bescheid vom 20.02.2012 Leistungen für die Zeit von März bis einschließlich August 2012 bewilligt. Angerechnet wurde Einkommen mehrerer Familienmitglieder. Für den Antragsteller selbst wurde ein Betrag von monatlich 409,57 Euro bewilligt. Einen Bescheid, der dem Antragsteller Leistungen in den Monaten September bis November 2012 bewilligt, gibt es nicht. Aus einer Leistungsübersicht in der Verwaltungsakte (S. 3129) ergibt sich, dass der Familie in dieser Zeit Erwerbseinkommen in Höhe von 338,67 Euro wegen Freibeträgen nicht auf den Bedarf angerechnet wurde.
Weil der Antragsteller im Vorfeld deutlich machte, eine Eingliederungsvereinbarung nicht unterzeichnen zu wollen, die nicht seinen Erwartungen an die Weiterbildung entspreche, erließ der Antragsgegner mit Bescheid vom 26.06.2012 (Seite 3053 Verwaltungsakte) gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II einen Eingliederungsverwaltungsakt. Darin wurde der Antragsteller unter anderem verpflichtet, von 09.07.2012 bis 31.08.2012 an einer Maßnahme zur Vermittlungsunterstützung teilzunehmen. Der Inhalt der Maßnahme wurde dabei im Einzelnen dargestellt. Ferner wurde der Antragsteller verpflichtet, monatlich vier Eigenbewerbungen für sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten im Helferbereich nachzuweisen. Der Verwaltungsakt enthält auch eine Rechtsfolgenbelehrung, wonach bei einem Pflichtverstoß ein vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes II für drei Monate erfolge. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2012 zurückgewiesen. Dagegen wurde rechtzeitig Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ein gegen den Eingliederungsverwaltungsakt gerichtetes Eilverfahren blieb erfolglos (vg. BayLSG, Beschluss vom 24.10.2012, L 7 AS 685/12 B ER)
Der Antragsteller trat die Maßnahme am 09.07.2012 nicht an.
Mit Schreiben vom 06.08.2012 wurde der Antragsteller zum möglichen Eintritt einer Sanktion angehört. Er wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm in angemessenem Umfang ergänzte Sachleistungen oder geldwerte Leistungen, insbesond...