Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit eines Fremdgeschäftsführers und Testamentsvollstreckers hinsichtlich von Anteilen an einer GmbH & Co. KG sowie der Komplementär GmbH
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände ist auch bei einer mittels letztwilliger Verfügung angeordneten Testamentsvollstreckung zur Verwaltung (§ 2205 BGB) von Gesellschaftsanteilen auf Lebenszeit des Testamentsvollstreckers genügt, deren Umfang sich aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis (§ 2368 BGB) ergibt.
2. Die fehlende Aufnahme eines Vermerks über die Testamentsvollstreckung in die Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) steht dem nicht entgegen. Eine Eintragung in das Handelsregister bestätigt eine Rechtsmacht, begründet sie aber nicht.
3. Ist eine Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker ohne Einschränkung angeordnet, ist dieser unter Ausschluss des Gesellschaftererben berechtigt und verpflichtet, grundsätzlich alle sich aus dem Geschäftsanteil ergebenden Rechte, insbesondere auch - vorbehaltlich etwaiger Beschränkungen des Gesellschaftsvertrags - die Mitverwaltungsrechte, wahrzunehmen.
4. Die Testamentsvollstreckung bewirkt gemäß § 2211 BGB, dass dem Erben die Verfügungsmacht in Bezug auf die von dem Testamentsvollstrecker verwalteten Nachlassgegenstände (hier: Gesellschaftsanteile) entzogen ist.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 13. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 12.928,31 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Streitgegenständlich ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Beitragsbescheid vom 04.08.2023 nach § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Bg) ist eine GmbH und Co. KG (Wohn- und Gewerbebau) mit Sitz in S, gegründet im Jahr 1990 (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts S, HRA xxx). Sie firmierte zunächst unter "A GmbH & Co. Wohn- und Gewerbebau KG S". Gegenstand des Unternehmens ist die Betreuung und Verwaltung von gewerblichen und privaten Immobilienobjekten und die Erbringung von Dienstleistungen jeglicher Art im Immobilienbereich (URNr. xxx vom 17.02.2017). Persönlich haftender Gesellschafter ist seit 24.03.2017 die A GmbH (vormals B mbH, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts S, HRB xxx), die gemäß Gesellschaftsvertrag vom 27.11.1979 gegründet wurde. Zuvor war persönlich haftende Gesellschafterin die W GmbH (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts S, HRB xxx). Kommanditist ist Herr Y A (geb. 1994) mit einer Einlage von 511.291,88 Euro.
Herr U A (geb. 1962) ist Geschäftsführer der Bg. Die A GmbH schloss mit ihm am 22.12.2003 auf unbestimmte Zeit einen Anstellungsvertrag für GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer, wonach er zum 01.01.2004 zum Geschäftsführer bestellt wurde. Nach dem Anstellungsvertrag hat der Geschäftsführer Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen, ist von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit, leitet und überwacht das Gesamtunternehmen, nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers wahr, erhält ein festes Monatsgehalt von 1.380,- Euro brutto, hat Anspruch auf einen Zuschuss zur Krankenversicherung, Ersatz seiner Aufwendungen und Reisespesen, Anspruch auf 30 Tage bezahlten Jahresurlaub, ein Ruhegehalt und auf eine Abfindung bei Kündigung durch die Gesellschaft. Mit Übernahmevereinbarung vom 01.09.2005 wurde Herr U A mit allen Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag mit der A GmbH in die A GmbH und Co. Wohn- und Gewerbebau KG zum 01.09.2005 übernommen.
Gleichzeitig ist Herr U A alleiniger Geschäftsführer der Komplementär GmbH (bis 23.03.2017 W GmbH, ab 24.03.2017 A GmbH).
Gemäß § 8 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrages der A GmbH werden Beschlüsse in der Komplementär-GmbH grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst. Eine 3/4-Mehrheit ist gemäß § 8 Ziff. 2 erforderlich bei der Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und Prokuristen, der Zustimmung zur Verpfändung und Abtretung von Geschäftsanteilen und Teilen derselben sowie der Gewinnverwendung des Gesellschaftsvertrages. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Je 1.000,- DM eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme (§ 8 Ziff. 3). Entgegen § 47 Abs. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) dürfen auch die von der Beschlussfassung betroffenen Gesellschafter mitstimmen, soweit dies gesetzlich zulässig ist (§ 8 Ziff. 4).
Die abstimmungsrelevanten Stimmanteile in der Gesellschafterversammlung der Wohn- und Gewerbebau GmbH (Stammkapital: 50.000,- DM) und der A GmbH (Stammkapital: 300.000,- DM) wurden bzw. werden zu 100 % von Y A gehalten. Gemäß der Gesellschafterliste der W GmbH vom 01.03.2016 hielt Y A alle Anteile am Stammkapital von 50.000,- DM. Ein Vermerk über die Testamentsvollstreckung durch Herrn U A ist...