Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. zulässiger Rechtsweg. Klage. Stützen des prozessualen Anspruchs sowohl auf sozialrechtliche als auch auf amtshaftungsrechtliche Anspruchsgrundlagen. Rechtswegspaltung. Teilverweisung an Zivilgericht
Leitsatz (amtlich)
1. Das angerufene Gericht hat für jeden prozessualen Anspruch gesondert zu prüfen, ob es das "Gericht des zulässigen Rechtswegs" nach § 17 Abs 2 S 1 GVG ist. Falls dem nicht so ist, ist der betreffende Anspruch (ggf nach dessen Abtrennung) nach § 17a Abs 2 S 1 GVG zu verweisen.
2. Wenn ein einzelner prozessualer Anspruch auf mehrere Anspruchsgrundlagen gestützt wird und zumindest eine davon in den erstangerufenen Rechtsweg fällt, verpflichtet § 17 Abs 2 S 1 GVG das erstangerufene Gericht zu einer umfassenden Prüfung. § 17 Abs 2 S 2 GVG schafft hiervon eine Ausnahme und behält die Prüfung der Anspruchsgrundlage der Amtshaftung den ordentlichen Gerichten vor. Die anderen Anspruchsgrundlagen werden von diesem Vorbehalt nicht betroffen, sie verbleiben bei dem erstangerufenen Gericht.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 29. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1383,- Euro festgesetzt.
IV. Die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht wird zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob die Verweisung des Anspruchs aus Amtshaftung an das Landgericht auch die Anspruchsgrundlagen aus dem Sozialgesetzbuch (hier aus dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II) erfasst oder ob diese in der Zuständigkeit des Sozialgerichts verbleiben.
Der Kläger und Beschwerdeführer vermietete seine Wohnung für 670,- Euro monatlich an G. und dessen minderjährige Kinder, die vom Beklagten und Beschwerdegegner laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II bezogen. Die Miete wurde ab März 2005 auf Antrag der Leistungsbezieher und wegen entstandener Mietschulden direkt an den Kläger ausbezahlt. Ab Mai 2006 bewilligte der Beklagte Leistungen, die überwiegend unter der Gesamtmiete lagen. Auf den vom Kläger gegen G. wegen Mietschulden erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss für Leistungsansprüche nach SGB II erklärte der Beklagte, dass die laufenden Geldleistungen nach § 54 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht pfändbar seien. In der Folge ließ sich der Kläger Leistungsansprüche nach SGB II von G. abtreten und von G. bevollmächtigten. Er beantragte dann als Bevollmächtigter beim Beklagten laufende Leistungen und die Übernahme von Mietschulden.
Gegen zwei zurückweisende Widerspruchsbescheide erhob er Klage zum Sozialgericht aus abgetretenem bzw. gepfändetem und aus eigenem Recht auf Zahlung von 6.915,61 Euro nebst Zinsen für laufende Mieten vom Mai 2006 bis Dezember 2007 und eine Nachforderung aus einer Nebenkostenabrechnung. Nachdem der Kläger erklärte, sich auch Amtshaftungsansprüche vorzubehalten, trennte das Sozialgericht die Ansprüche aus Amtshaftung ab und verwies den abgetrennten Rechtsstreit an das Landgericht Traunstein (Beschluss vom 19.04.2010, Az. S 19 AS 779/10).
Der Kläger machte daraufhin geltend, dass der gesamte Rechtsstreit einschließlich der sozialrechtlichen Ansprüche an das Landgericht zu verweisen sei und eine Zuständigkeit des Sozialgerichts nicht mehr gegeben sei. Mit Beschluss vom 29.11.2010 stellte das Sozialgericht fest, dass - nach der Verweisung der Amtshaftungsansprüche - der beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zulässig sei. Der Rechtsweg für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende ergebe sich aus § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger mache Ansprüche auf Kosten der Unterkunft und Heizung bzw. auf Auszahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II zumindest aus abgetretenem oder gepfändetem Recht sowie aus eigenem Recht geltend. Damit würden die Beteiligten zumindest auch über Rechtsfolgen aus der Anwendung der Normen des SGB II streiten. Eine Verweisung des gesamten Rechtsstreits an das Landgericht komme nicht in Betracht. Der Beschluss wurde dem Kläger am 03.12.2010 zugestellt.
Am 03.01.2011 hat der Kläger Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Die Ansprüche auf Zahlung von 6.915,61 Euro würden sämtlich auf sozialrechtliche Normen aus übergegangenem Recht als auch auf Amtshaftungsansprüche gestützt. Es gehe um einen einheitlichen Sachverhalt und einen einheitlichen Streitgegenstand. Aus der einheitlichen Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG und dem Entscheidungsprivileg für die Amtshaftung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG folge, dass der Rechtsstreit insgesamt an das Landgericht Traunstein zu verweisen sei. Andernfalls würde ein einheitlicher Streitgegenstand aufgespaltet werden, was dem effektiven Rechtsschutz widerspreche.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 202 SGG i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, § 173 SGG). Die Besc...