Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung für Verdienstausfall wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin
Leitsatz (amtlich)
1. Zu entschädigen ist die nach objektiven Maßstäben zu ermittelnde gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise und Wartezeiten, nicht mehr wie früher unter Geltung des ZuSEG die versäumte Arbeitszeit. Die konkret ausgefallene Arbeitszeit ist daher nicht zu ermitteln und für die Entschädigung ohne Bedeutung.
2. Die Entschädigung für Verdienstausfall wegen eines gerichtlichen Termins setzt voraus, dass eine Überschneidung der gerichtsterminsbedingten Abwesenheit mit der Arbeitszeit (inklusive der Zeit der An- und Abfahrt zu bzw. von der Arbeit) vorliegt.
3. Wenn keine solche Überschneidung gegeben ist, kommt eine Entschädigung für Verdienstausfall nicht in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn der Gerichtstermin der Grund dafür war, dass der Antragsteller seiner beruflichen Tätigkeit in enger zeitlicher Nähe zum Gerichtstermin nicht nachgegangen ist oder sogar zwingend nicht nachgehen konnte.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 21.10.2014 wird auf 57,55 € festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin. Insbesondere geht es um die Frage der Entschädigung für Verdienstausfall.
In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 3 U 239/14 geführten unfallversicherungsrechtlichen Berufungsverfahren fand am 21.10.2014 eine mündliche Verhandlung statt, an der der Antragsteller nach Anordnung des persönlichen Erscheinens teilnahm. Der auf 11.00 Uhr geladene Termin dauerte bis um 11.40 Uhr.
Mit beim LSG am 23.10.2014 eingegangenem Entschädigungsantrag beantragte der Antragsteller, der Berufskraftfahrer ist, eine Entschädigung für Verdienstausfall für 10,5 Stunden, einen Fahrtkostenersatz für zwei Bahnfahrkarten zu je 10,40 € und für eine Fahrtstrecke mit dem Auto von 42 km bis zum Bahnhof und zurück. Zum Verdienstausfall gab er, vom Arbeitgeber bestätigt, an, dass er unbezahlten Urlaub genommen habe und die Arbeitszeit am Tag der mündlichen Verhandlung um 20.00 Uhr begonnen und um 6.30 Uhr am nächsten Tag in der Früh geendet hätte. Der Stundenlohn betrage 15,90 €; zusätzlich erhalte er eine Nachtzulage von 25,44 € pro Tag. Eine Beschäftigung am Tag des Gerichtstermins sei nicht möglich gewesen, da Lenk- und Ruhezeiten eingehalten werden müssten. Der Antragsteller gab an, um 7.45 Uhr von zuhause weggefahren und um 15.00 Uhr wieder daheim gewesen zu sein.
Dem Antragsteller wurde Ende Dezember 2014 als Entschädigung ein Betrag in Höhe von 207,79 € ausgezahlt, wobei ein Verdienstausfall in Höhe von 176,49 € zu Grunde gelegt wurde.
Bei einer internen Prüfung am LSG wurde eine zu Gunsten des Antragstellers zu hoch ausgezahlte Entschädigung festgestellt. Die Kostenbeamtin des LSG teilte dem Antragsteller daher mit Schreiben vom 15.02.2016 mit, dass ihm anstelle einer Entschädigung von 207,79 € nur eine solche in Höhe von 52,30 € zustehe und daher eine Rückforderung in Höhe von 155,49 € beabsichtigt sei.
Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 21.02.2016 gewandt und mitgeteilt, dass er aufgrund der Vorschriften über die Lenk-, Arbeits- und tägliche Ruhezeiten seiner am Abend des Gerichtstermins beginnenden Arbeit nicht nachgehen habe können und daher einen unbezahlten freien Tag genommen habe. Tatsächlich sei ihm ein Verdienstausfall in Form eines vollen Arbeitstags entstanden; er bitte die Angelegenheit nochmals zu überprüfen.
Mit Schreiben des Senats vom 19.04.2016 sind dem Antragsteller die Voraussetzungen für eine Entschädigung für Verdienstausfall erläutert worden.
Der Antragsteller hat sich mit Schreiben vom 25.04.2016 dahingehend geäußert, dass er den Gerichtstermin nicht ohne Freistellung von der Arbeit wahrnehmen habe können, und um eine gerichtliche Entscheidung gebeten.
Der Senat hat die Akte des unfallversicherungsrechtlichen Verfahrens mit dem Aktenzeichen L 3 U 239/14 beigezogen.
II.
Die Entschädigung für das Erscheinen beim Gerichtstermin am 21.10.2014 ist auf 57,55 € festzusetzen.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung entweder explizit oder sinngemäß dadurch beantragt, dass er sich gegen die vom Kostenbeamten beabsichtigte oder vorgenommene Festsetzung der Entschädigung wendet.
Vorliegend ist das Schreiben des Antragstellers vom 21.02.2016 als Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auszulegen. Zwar ist es vor dem Hintergrund einer Anhörung zu der Rückforderung einer aus Sicht der Kostenbeamtin in zu großer Höhe erfolgten Auszahlung verfasst worden. Gleichwohl ist dem Schreiben zu entnehmen, dass der Antragsteller Klarheit über die Höhe der ihm zustehenden Vergütung haben möchte, die er nu...