Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. eheähnliche Gemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Leistungsträger kein Ermessen bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen einräumt und dessen Auslegung durch den Leistungsträger der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt.
2. Eheähnlich ist die Verbindung zweier Partner unterschiedlichen Geschlechts, wenn sie auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindung auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung von Hinweistatsachen zu beurteilen.
Orientierungssatz
Eine dauerhafte Beziehung kann bereits ab dem ersten Tag des Zusammenlebens vorliegen. Nach dreijährigem Zusammenleben dürften hingegen ohne gegenteilige Anhaltspunkte keine Zweifel mehr an der Dauerhaftigkeit der Beziehung bestehen.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.08.2006 Punkt 1 und 2 wird zurückgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.08.2006 Punkt 3 wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Streitig ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 21.03.2006 bis 30.09.2006.
Die Antragstellerin wohnt mit ihren beiden Kindern und Herrn H. (im Folgenden: H) in einer 80 qm großen 3 1/2-Zimmerwohnung. Nach den Angaben des Mitarbeiters des Außendienstes der Beklagten aufgrund einer Ortsbesichtigung haben die beiden jeweils ein eigenes Zimmer. Die Antragstellerin und H haben ein gemeinsames Schlafzimmer. Am 21.03.2006 beantragte die Antragstellerin Alg II. Dabei gab sie an, mit H in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Im Fragebogen zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung bezeichnete sie diesen als ihren Freund. Belege zum Einkommen und Vermögen des H wurden vorgelegt. Mit Bescheiden vom 30.05.2006, 20.06.2006 und 10.08.2006 bewilligte die Beklagte Alg II für die Zeit vom 21.03.2006 bis 30.09.2006 unter Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und H. Das Einkommen des H werde daher im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt. Die von der Antragstellerin erhobenen Widersprüche gegen diese Bescheide wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 10.08.2006 und 11.08.2006 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin nach deren Auskunft Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben.
Am 07.08.2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Nürnberg den Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend beantragt, ihr Alg II ohne Berücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft mit H und Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren zu bewilligen. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 16.08.2006 diese Anträge abgelehnt. Es fehle für den Erlass einer einstweiligen Anordnung am Vorliegen eines Anordnungsanspruches. Es sei vom Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und H auszugehen. Mangels Erfolgsaussicht sei auch Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen.
Sowohl gegen die Ablehnung des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung als auch gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat die Antragstellerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und für die Beschwerdeverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt. Sie habe bei ihrer eigenen Angabe, eine eheähnliche Gemeinschaft liege vor, die juristische Tragweite dieser Erklärung nicht erkannt. Eine eheähnliche Gemeinschaft könne nur angenommen werden, wenn die Partner dieser Gemeinschaft bestätigten, auch in Zukunft für einander finanziell einstehen zu wollen. Allein äußere Anhaltspunkte genügten für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft nicht. H, der selbst Schulden habe, wohne mietfrei mit in der Wohnung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig. Das SG hat den Beschwerden nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Die Rechtsmittel erweisen sich jedoch nicht als begründet.
Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis stellt im vorliegenden Rechtsstreit § 86b Abs 2 Satz 2 SGG dar.
Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne ei...