Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen. Pflichtverletzung. Umfang und Beginn einer Minderung von Arbeitslosengeld II. Aufhebung des Bewilligungsbescheids. Festellungsbescheid. Existenzminimum. Grundsätzliche Bedeutung. Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anforderungen an eine Sanktionsentscheidung bei einer Pflichtverletzung des Grundsicherungsempfängers. Voraussetzung der Zulassung einer Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen. Neben der Feststellung des Eintritts einer Sanktion muss auch ein Aufhebungsbescheid hinsichtlich bereits bewilligter Leistungen erfolgen.

 

Orientierungssatz

Bei der Feststellung der Pflichtwidrigkeit eines Empfängers von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, die zu einer Sanktion in Form einer Absenkung der Grundsicherungsleistungen führt, ist neben einem Feststellungsbescheid über den Eintritt der Sanktion auch eine teilweise Aufhebungsentscheidung bezüglich der bisher erfolgten Leistungsbewilligung erforderlich.

 

Normenkette

SGB II § 31b; SGG § 144 Abs. 2; GG Art. 1, 20 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 08.06.2016; Aktenzeichen 1 BvR 2825/15)

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.07.2015 - S 16 AS 305/15 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Eintritts einer Minderung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.09.2015 in Höhe von 30 v.H. Am 25.02.2015 schlossen der Beklagte und der Kläger, der zuletzt aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 27.05.2015 für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.06.2016 Alg II bezieht, eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) ab, laut der er für 20 Stunden pro Woche in der Zeit vom 02.03.2015 bis 01.06.2015 an einer Arbeitsgelegenheit gemäß § 16 d SGB II in der Einsatzstelle Sozialkaufhaus M. S. O. (Träger der Maßnahme: Gesellschaft zur beruflichen Förderung A. mbH -im Folgenden: GbF-) teilnehme und hierfür 1,50 € pro Stunde erhalte. Näheres ergebe sich aus dem Zuweisungsschreiben vom selben Tag. In der Rechtsfolgenbelehrung - insbesondere im Zuweisungsschreiben - war er darauf hingewiesen worden, dass er die Arbeit aufnehmen und fortführen müsse, da ansonsten eine wiederholte Pflichtverletzung vorliege und eine Minderung des Alg II um 60 v.H. erfolge, soweit kein wichtiger Grund vorliege. Eine wiederholte Pflichtverletzung liege auch vor, wenn er die Aufnahme der Arbeitsgelegenheit durch negatives Bewerbungsverhalten vereitle oder nach der Aufnahme der Arbeitsgelegenheit abbreche. Der Kläger nahm die Arbeitsgelegenheit auf. Mit Schreiben vom 07.03.2015 kündigte der Kläger die EGV gegenüber dem Beklagten, da er eine solche nicht zu unterschreiben brauche. Mit Schreiben vom 25.03.2015 mahnte die GbF den Kläger wegen Aufstellens unwahrer Behauptungen und Aufwiegelung anderer Arbeitnehmer ab und beendete die Maßnahme nach Rücksprache mit dem Beklagten zum 08.04.2015 (Schreiben vom 09.04.2015), da eine Verhaltensänderung des Klägers nicht erfolgt sei.

Nach Anhörung stellte der Beklagte mit Bescheid vom 29.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 den Eintritt einer Minderung um 30 v.H. (108,00 € monatlich) für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.09.2015 fest. Der Kläger habe sich nicht maßnahmenkonform verhalten. Ein Widerruf bzw. eine Kündigung der EGV sei nicht wirksam erfolgt. Die Tätigkeit bei der GbF sei zumutbar gewesen. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten sei nicht ersichtlich. Über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die EGV sei er belehrt worden. Eine (teilweise) Aufhebung der Leistungsbewilligung durch den Beklagten ist nicht erfolgt.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und die Aufhebung des Bescheides vom 29.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2015 begehrt. Sanktionen gegen Alg II-Empfänger seien verfassungswidrig, insbesondere wenn diese - wie er - psychisch krank seien. Er sei zu unzumutbaren Tätigkeiten eingesetzt worden. Außerdem habe er einen wichtigen Grund gehabt, denn er habe auf seine Kinder aufpassen und diese erziehen und versorgen müssen.

Mit Urteil vom 28.07.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Trotz ordnungsgemäßer Rechtsfolgenbelehrung habe der Kläger seine Pflicht nicht erfüllt. Die EGV habe nicht wirksam widerrufen werden können. Ein Kündigungsrecht bestehe mangels nachträglicher wesentlicher Änderung der Verhältnisse auch nicht. Die Tätigkeit bei der GbF sei zumutbar gewesen und der Kläger habe den Maßnahmenabbruch durch sein Verhalten veranlasst. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Land...

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