Leitsatz (amtlich)
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Wertzufluss, der vor Antragstellung nach § 37 SGB II erfolgt, als Vermögen i. S. d. § 12 SGB II zu qualifizieren, ein Wertzufluss ab Antragstellung als Einkommen nach § 11 SGB II (vgl. nur BSG, Urteil vom 01.07.2009 Az. B 14 AS 4/08 R, ZFSH/SGB 2009, 740). Die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn Wertzufluss und Antragstellung am selben Tag erfolgen, ob insbesondere die Uhrzeit von Antragstellung und Wertzufluss maßgeblich ist, oder ob wegen der Rückwirkung der Antragstellung auf den Tagesbeginn ein Geldzufluss am Tag der Antragstellung immer als Einkommen anzusehen ist, ist höchstrichterlich nicht entschieden und stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beklagten wird die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts München vom 07.10.2009 aufgehoben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.10.2009 zugelassen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein am Tag der Antragstellung ausgezahltes Gehalt als Einkommen oder als Vermögen zu berücksichtigen ist.
Der Kläger (Kl.) arbeitete bis zum 03.03.2008 und bekam sein letztes Gehalt für den Monat März 2008 in Höhe von 1.189,45 € netto am 01.04.2008 auf seinem Konto gutgeschrieben. Ebenfalls am 01.04.2008 stellte er bei der Beklagten (Bekl.) einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22.04.2008 für den Monat April 2008 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kl. angesichts des Zuflusses von 1.189,45 € in diesem Monat nicht hilfebedürftig sei. Den dagegen am 27.05.2008 eingelegten Widerspruch wies die Bekl. mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2008 als unbegründet zurück. Der Kl. sei nicht hilfebedürftig, weil ihm am 01.04.2008 das Märzgehalt zugeflossen sei. Dieses Gehalt sei gemäß § 2 Abs. 2 Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) unter Berücksichtigung der Kfz-Versicherung, Werbungskostenpauschale und Freibeträge nach § 30 SGB II in Höhe von 909,45 € anzurechnen.
Hiergegen hat der Kl. am 11.07.2008 beim Sozialgericht München (SG) Klage eingereicht. Das SG hat mit Urteil vom 07.10.2009 (Az. S 52 AS 1676/08) entsprechend dem gleich lautenden Klageantrag der Kl. den Bescheid vom 22.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2008 aufgehoben und die Bekl. verpflichtet, dem Kl. für April 2008 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Märzgehaltes zu zahlen. In der Rechtsmittelbelehrung hat das SG darauf hingewiesen, dass das Urteil nicht mit der Berufung angefochten werden könne, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom SG nicht zugelassen worden sei. Das Urteil ist der Bekl. am 15.10.2009 zugestellt worden.
Das SG hat sein Urteil damit begründet, dass der Zufluss auf dem Konto am 01.04.2008 um 0.01 Uhr erfolgt sei, die Antragstellung jedoch erst später zu den gewöhnlichen Öffnungszeiten der Bekl. Damit sei der Zufluss noch vor Antragstellung erfolgt, und das zugeflossene Geld sei als Vermögen und nicht als Einkommen zu qualifizieren.
Am 10.11.2009 hat die Bekl. gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie macht geltend, soweit das Urteil des SG nach der Uhrzeit differenziere, zu der das Geld zugeflossen und der Antrag gestellt worden sei, stehe es im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowie des Bayerischen Landessozialgerichts, wonach der Tag der Antragstellung unabhängig von der Uhrzeit der Antragstellung als Ganzer zum Leistungszeitraum zähle. Außerdem handle es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten verwiesen.
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht ist gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt.
Die Beschwerde ist auch begründet und dementsprechend die Berufung zuzulassen, weil die Beschwerde zulassungsbedürftig ist und ein Zulassungsgrund vorliegt.
Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG der Zulassung, weil sie nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, sondern eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft und der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € nicht übersteigt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiter verfolgt wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-rer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 144 Rdnr. 14). Im vorliegenden Fall geht es nur um die Regelleistung für einen Monat in Höhe von 347 €, nicht die Kosten der Unterkunft, da die Bekl. mit dem Landkreis, in dem die Kl. ihren Aufenthalt hat, keine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB ...