Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollstreckung. Interessen- und Folgenabwägung. Erfolgsaussichten. Ausschluss der Beschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Aussetzung der Vollstreckung im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens, wenn die Beschwerde gegen die Entscheidung des SG nicht zulässig ist.

 

Normenkette

SGG § 199 Abs. 1, 2 S. 1, § 172 Abs. 3 Nr. 1, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 175 S. 1

 

Tenor

I. Der Antrag, die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.04.2013 - S 13 AS 303/13 ER - auszusetzen, wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat den Antragsteller "verpflichtet", an die Antragsgegnerin für die Zeit vom 01.03.2013 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31.07.2013 vorläufig weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 86,00 € monatlich zu zahlen. Die Beschwerde dagegen sei mangels Erreichens des Wertes des Beschwerdegegenstandes nicht zulässig.

Dagegen hat der Antragsteller "Nichtzulassungsbeschwerde" zum Bayer. Landessozialgericht erhoben, die Zulassung der Beschwerde und die Aussetzung der Vollstreckung aus dem Beschluss des SG begehrt. Der Rechtsstreit habe grundsätzliche Bedeutung und der angegriffene Beschluss des SG Bayreuth weise Verfahrensmängel auf.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der statthafte Aussetzungsantrag ist zulässig.

Gemäß § 199 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann, wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat, der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Ein vollstreckbarer Titel im Sinne des § 199 Abs 1 SGG liegt vor.

Die Beschwerde des ASt gegen den Beschluss des SG hat keine aufschiebende Wirkung (§ 175 Satz 1 SGG). Der ASt ist daher verpflichtet, die sich aus dem Beschluss ergebenen Beträge auszuzahlen, die aber gegebenenfalls wieder zu erstatten sind.

Der Aussetzungsantrag ist jedoch nicht begründet.

Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -; Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage § 199 Rdnr 8), wobei der in § 154 Abs 2 SGG bzw § 175 Satz SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Berufungen bzw. Beschwerden in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer aaO Rdnr 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -).

Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Interessen- und Folgenabwägung zu prüfen. Dabei können die Erfolgsaussichten der Beschwerde ausnahmsweise dann eine Rolle spielen, wenn diese offensichtlich fehlen (vgl. auch BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -) oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob der Beklagten - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher verbunden ist - ein im nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Der Hinweis auf Sonderfälle, unter denen eine im Ergebnis rechtswidrig gezahlte Urteilsrente vom Begünstigten nicht zurückgefordert werden dürfe, genügt hierzu nicht, wenn nicht Anhaltspunkte dafür benannt werden, beim Begünstigten könne ein solcher "Härtefall" bestehen (vgl. BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -). Zudem darf ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen (BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -; vgl. hierzu auch die § 86b SGG zu entnehmenden Rechtsgedanken).

Vorliegend ist die Beschwerde gemäß § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ausgeschlossen, denn in der Hauptsache ist die Berufung nicht zulässig, der Wert des Beschwerdegegenstandes iS des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG wird nicht erreicht. Dem Wortlaut des § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ist eindeutig zu entnehmen, dass nicht zu prüfen ist, ob die Berufung in der Hauptsache zugelassen werden könnte (vgl. zum Ganzen: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 172 Rdnr 6g). Mangels Zulässigkeit der Beschwerde in einstweiligen Rechtschutzverfahren fehlen somit offensichtlich die Erfolgsaussichten für die vorliegende Beschwerde. Von einem Ausnahmefall ist damit nicht auszugehen, der Antrag ist abzulehnen. Im übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Frage, ob es sich um ein schlüssiges Konzept des Antragstellers zur Ermittlung der angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten hand...

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