Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit eines Antrags auf Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine nachträgliche Ablehnung des Sachverständigen wegen Gründen, die sich aus dem Gutachten ergeben, ist jedenfalls nach mehr als einem Monat nach Erhalt des Gutachtens nicht mehr fristgerecht.

2. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen gegen einen Sachverständigen gerichteten Befangenheitsantrag, der nach seiner Beauftragung gestellt worden ist, fehlt, wenn der Sachverständige den Auftrag mit dem Einverständnis des Gerichts bereits zurückgegeben hat.

 

Tenor

Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 04.09.2013 ausgesprochene Ablehnung des Sachverständigen Dr. H. wegen Besorgnis der Befangenheit wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Im Berufungsverfahren der Klägerin geht es um eine Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG).

Die Klägerin macht Hinterbliebenenversorgung nach ihrem Ehemann geltend. Sie geht von einer gesundheitlichen Schädigung im Zusammenhang mit dem bei ihrem Ehemann 1987 diagnostizierten Rektumkarzinom, an dessen Folge dieser 1991 verstorben war, im Hinblick auf die Exposition des Ehemanns während seiner Zugehörigkeit zur Bundeswehr von 1960 bis 1965 mit insbesondere Thorium, Röntgenstörstrahlung, Infraschall, RA-226-Leuchtfarbe sowie Asbest aus.

Im Berufungsverfahren erstellte der Sachverständigen Dr. H. im Auftrag des Senats unter dem Datum vom 24.04.2011 ein Gutachtens, in dem er zu dem Ergebnis kam, dass beim verstorbenen Ehegatten die Auswirkungen eines metastasierenden Rektumkarzinoms ursächlich für den Eintritt des Todes gewesen seien, dass ein schädigendes Ereignis im Sinne des SVG nicht wahrscheinliche Ursache des Todes gewesen sei und dass das Leben des verstorbenen Ehegatten nicht um mindestens ein Jahr durch schädigende Ereignisse im Sinne des SVG verkürzt worden sei.

Ein erster mit Schreiben vom 09.02.2013 von der Klägerin gestellter Befangenheitsantrag gegen den zuständigen Berichterstatter wurde abgelehnt. Anschließend beauftragte der Berichterstatter mit Schreiben vom 23.08.2013 Dr. H. mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens.

Mit Schreiben vom 02.09.2013 gab Dr. H. den Gutachtensauftrag mit der Begründung zurück, dass er seine Gutachtertätigkeit beendet habe und über keinerlei Infrastruktur für derartige Arbeiten mehr verfüge. Er sehe aber keinerlei Anlass, von seiner bisherigen Einschätzung abzuweichen. Auch bei der zusätzlich aufgeworfenen Frage einer Verursachung durch Asbest sehe er nicht den geringsten theoretisch begründeten Anhaltspunkt. Wegen seiner von den Erwartungen der Klägerin abweichenden Kenntnisse erkläre er sich für befangen.

Mit Schreiben vom 02.09.2013 hat die Klägerin erneut einen Befangenheitsantrag gegen den zuständigen Berichterstatter und anschließend mit Schreiben vom 04.09.2013 den gegenständlichen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. H. gestellt.

Nach Entscheidung des Senats über den zweiten gegen den Berichterstatter gerichteten Befangenheitsantrag hat dieser bei der Klägerin angefragt, ob der Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen angesichts der Tatsache, dass sich Dr. H. nicht mehr sachverständig äußern werde, noch aufrecht erhalten werde. Trotz gerichtlicher Nachfrage hat sich die Klägerin dazu nicht geäußert.

II.

Der Ablehnungsantrag ist unzulässig, weil er nicht fristgerecht gestellt worden ist; im Übrigen fehlt ihm auch das Rechtschutzbedürfnis.

Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein gerichtlich bestellter Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus vernünftigerweise Bedenken gegen dessen Unparteilichkeit haben kann (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 03.03.1966, Az.: 2 BvE 2/64).

Der Ablehnungsantrag ist gem. § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt worden ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen (§ 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Dies trifft grundsätzlich zu, wenn der Antragsteller den Ablehnungsgrund aus dem Verhalten des Sachverständigen bei der Begutachtung herleitet (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 118 Rn. 12 l; Ahrens, in: Wieczorek, Schütze, ZPO, 3. Aufl. 2010, § 406 Rn. 39). In einem derartigen Fall ist der Ablehnungsantrag unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch), also i...

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