Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vollstreckung eines bestandskräftigen Rückforderungsbescheides. Rechtsschutzmöglichkeiten. Rechtsschutz gegen Vollstreckungsbehörden. Finanzrechtsweg. Rechtsschutz gegen Vollstreckungsanordnungsbehörden. Sozialrechtsweg. einstweiliger Rechtsschutz. Erlassantrag. Überprüfungsantrag
Leitsatz (amtlich)
1. Rechtsschutz gibt es gegen eine Zwangsvollstreckung auch bei bestandskräftigem Bescheid.
2. Vollstreckungsbehörden für Bescheide nach dem SGB 2 sind die Hauptzollämter, § 40 Abs 6 SGB 2 iVm § 66 SGB 10. Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden erfolgt auf dem Finanzrechtsweg.
3. Vollstreckungsanordnungsbehörden sind im Bereich des SGB 2 das Jobcenter als Ausgangsbehörde oder nach entsprechender Aufgabenübertragung gem §§ 44b, 44c SGB 2 bezüglich des Forderungseinzugs die Bundesagentur für Arbeit. Rechtsschutz erfolgt auf dem Sozialrechtsweg.
4. Ein Antrag auf Erlass gem § 44 SGB 2 kann die Vollstreckung aus einem bestandskräftigen Rückforderungsbescheid vorläufig unzulässig machen.
5. Ein Überprüfungsantrag gem § 44 SGB 10 kann die Vollstreckung aus einem bestandskräftigen Bescheid vorläufig unzulässig machen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 19. Februar 2014 aufgehoben und die Rechtssache an das Sozialgericht München zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung aus jeweils den Bf zu 1) und die Bf zu 2) betreffenden Erstattungs- und Rückforderungsbescheiden des Beschwerdegegners (Bg) bzgl. zu Unrecht gewährter Leistungen nach dem SGB II.
Am 20.01.2014 erschien der Bevollmächtigte der Bf, der Ehemann der Bf zu 2) und Vater des Bf zu 1), bei der Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts München und legte jeweils zwei Vollstreckungsankündigungen des Hauptzollamts B-Stadt gegen den Bf zu 1) und die Bf zu 2) vor.
Beide Vollstreckungsankündigungen gegenüber dem Bf zu 1) bezogen sich auf einen Bescheid gegenüber dem Bf zu 1) vom 06.12.2010. In der ersten Vollstreckungsankündigung vom 09.01.2014 wurde ein Betrag in Höhe von 1.542,16 € zurückgefordert, fällig am 27.12.2010, und in der zweiten Vollstreckungsankündigung ebenfalls mit Datum 09.01.2014, ein Betrag in Höhe von 598,22 €, ebenfalls fällig am 27.12.2010.
Die beiden Vollstreckungsankündigungen gegenüber der Bf zu 2) bezogen sich auf einen Bescheid gegenüber der Bf zu 2) vom 06.12.2010. In der ersten Vollstreckungsankündigung vom 09.01.2014 wurde ein Betrag in Höhe von 3.873,16 € zurückgefordert, fällig am 27.12.2010, und in der zweiten Vollstreckungsankündigung ebenfalls mit Datum 09.01.2014 ein Betrag in Höhe von 1.478,14 €, ebenfalls fällig am 27.12.2010.
Der Bevollmächtigte der Bf führte zu den vorgelegten Vollstreckungsankündigungen aus, dass der Gesamtkomplex gegen das Jobcenter B-Stadt seiner Meinung nach beim Bayer. Landessozialgericht anhängig sei.
Aufgrund der am 20.01.2014 bei Gericht vorgelegten Vollstreckungsankündigungen sowie des Vorbringens des Bevollmächtigten der Bf formulierte die Rechtsantragsstelle beim Sozialgericht München einen Antrag dahingehend, "die Vollstreckungsankündigung vom 09.01.2014 aufzuheben" und weiter einen Antrag dahingehend "vor dem Sozialgericht München einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren und die Vollstreckung aufzuheben".
Mit weiterem Schreiben vom 15.02.2014, eingegangen beim Sozialgericht München am 18.02.2014, legte der Bevollmächtigte der Bf dar, dass die Forderungen gegen ihn niedergeschlagen worden seien, die gegen seine Ehefrau und seinen Sohn jedoch nicht. Eine Begründung für dieses Verhalten habe der Bg nicht geliefert. Es seien alle Anträge, Widersprüche und sonstige Schreiben immer von ihm für die gesamte Bedarfsgemeinschaft abgegeben worden. Folglich hätten auch die Forderungen gegen die Ehefrau und den Sohn niedergeschlagen werden müssen. Es sei auch gegen alle Bescheide des Bg Widerspruch eingelegt worden. Im Übrigen seien alle Bescheide des Bg vorläufig. Wahrscheinlich liege ein Versehen des Bg vor, der aus nicht ersichtlichen Gründen aus einem Verfahren drei Verfahren gemacht habe und dabei übersehen habe, die beiden anderen Verfahren einzustellen.
Der Bg hatte zunächst mit Schreiben vom 23.01.2014 mitgeteilt, dass weder offene Forderung gegen den Bf zu 1) noch die Bf zu 2) bestünden. Der Beklagte legte hierzu Auszüge aus den Konten der Bf in Kopien bei.
Mit Schreiben vom 28.01.2014 teilte der Bg dann mit, dass die Forderung gegen den Bevollmächtigten der Bf niedergeschlagen worden sei. Laut Auskunft der Forderungseinzugsstelle der Bundesanstalt für Arbeit in C-Stadt bestünden die Forderung gegen den Bf zu 1) und die Bf zu 2) jedoch fort. Es seien keine Zahlungen erfolgt und auf diverse Schreiben nicht reagiert worden. Deshalb seien die beiden Vollstreckungsankündigungen erfolgt. Da für den Forderungseinzug nach § 44b Abs. 4 SGB II die Bundesagentur für Arbeit zuständig sei, lägen dem Bg die Vollstreckungsankündi...