Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Zuschuss zu Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Begrenzung auf die Höhe des halbierten Beitrags zum Basistarif. Zumutbarkeit des Wechsels in den Basistarif. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Der vom BSG (Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R = BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1) in Analogie zu § 26 Abs 2 S 1 Nr 2 Halbs 1 SGB 2 angenommene Anspruch auf Übernahme der Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung, soweit diese die Höhe der für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Beiträge übersteigen und deshalb vom Anspruch nach § 26 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 2 iVm § 12 Abs 1c S 6 VAG nicht umfasst sind, ist auf die Höhe des halben Beitrags zum Basistarif beschränkt.
2. § 204 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst b VVG (juris: VVG 2008) ermöglicht im Falle der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 oder SGB 12 auch bei Verträgen, die vor dem 1.1.2009 abgeschlossen worden sind, einen Wechsel in den Basistarif unter Anrechnung der aus dem Vertrag erworbenen Rechte und der Altersrückstellung ohne Rücksicht auf das Lebensalter und über den 1.7.2009 hinaus.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 12.04.2011 dahingehend geändert, dass die unter Nr. I des Beschlusses angeordnete vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners auf die Zeit vom 01.12.2010 bis zum 17.02.2011 erweitert wird.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Der Antragsgegner hat den Antragstellern ein Zehntel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Parteien ist streitig, in welchem Umfang die Beiträge der Antragsteller zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu übernehmen sind.
Die Antragsteller beziehen jedenfalls seit dem 01.01.2009 durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Antragsteller sind privat kranken- und pflegeversichert bei der Deutschen Krankenversicherung. Der monatliche Beitrag für beide Antragsteller zur Kranken- und Pflegeversicherung betrug 823,11 € im Jahr 2009, 844 € im Jahr 2010, und er beträgt 913,42 € seit dem 01.01.2011. Von diesen Beiträgen erkannte der Antragsgegner in den Jahren 2009 und 2010 monatlich 291,36 € als Bedarf an, die sich aufteilten zu 124,32 € für die Krankenversicherung und 21,36 € für die Pflegeversicherung, jeweils für die Antragstellerin zu 1 und den Antragsteller zu 2. Seit dem 01.01.2011 erkannte der Antragsgegner nur noch einen Betrag von 129,46 € als monatlichen Bedarf an, der sich aufteilte auf 56,91 € für die Krankenversicherung und 7,82 € für die Pflegeversicherung, beides jeweils für die Antragstellerin zu 1 und den Antragsteller zu 2.
Am 20.01.2011 beantragten die Antragsteller beim Antragsgegner, dass dieser die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung rückwirkend zum 01.01.2009 in voller Höhe übernehmen solle.
Am 18.02.2011 haben die Antragsteller beim Sozialgericht München (SG) diesbezüglich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Das SG hat mit Beschluss vom 12.04.2011 (Az. S 48 AS 473/11 ER) den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit ab 18.02.2011 bis zum 31.12.2011, längstens aber bis zum Ende des Leistungsbezuges oder bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig einen Zuschuss zu den Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung bis zur Höhe des halben Basistarifs zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt.
Am 02.05.2011 haben die Antragsteller gegen den Beschluss, der ihnen am 14.04.2011 zugestellt worden ist, Beschwerde eingelegt.
Die Antragstellerin zu 1 bringt vor, sie habe die vom Antragsgegner nicht übernommenen Beiträge in der Vergangenheit teilweise durch das für ihre Mutter bezogene Pflegegeld decken können. Trotzdem seien Schulden angelaufen. Nach einer Mahnung der Deutschen Krankenversicherung vom 07.02.2011 sei sie die seit dem 01.12.2010 geschuldeten Beiträge in Höhe von 1.978,14 € schuldig. Es sei ihr nicht zumutbar, in den Basistarif zu wechseln, weil ihr hierbei angesammelte Rückstellungen in einer Größenordnung von 10.000 bis 15.000 € verloren gingen.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des SG vom 12.04.2011 dahingehend abzuändern, dass der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung über die darin ausgesprochene Verpflichtung hinaus verpflichtet wird, die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in vollem Umfang und rückwirkend zum 01.01.2009 zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Der Wert des Bes...