Leitsatz (amtlich)
1. Kosten einer Wochenkarte können im Rahmen der Fahrtkostenerstattung für das Erscheinen bei einem Gerichtstermin weder voll noch anteilig erstattet werde.
2. Eine Erstattung fiktiver Kosten bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sieht das JVEG nicht vor.
3. Auch Beteiligte am sozialgerichtlichen Verfahren können eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinne des § 20 JVEG haben.
4. Das Fehlen einer individuellen Begründung für Zeitversäumnis steht einer Entschädigung nicht entgegen.
5. Eine Entschädigung für Zeitversäumnis hat nur dann nicht zu erfolgen, wenn sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, oder wenn es offensichtlich ist, dass ein Nachteil nicht eingetreten ist. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten sind dabei nur sehr gering.
6. Die für Zeitversäumnis zu entschädigende Zeit beträgt maximal 10 Stunden pro Tag; eine weitergehende zeitliche Begrenzung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen.
7. Bei der Entschädigung für Zeitversäumnis ist eine fiktive Mittagspause nicht in Abzug zu bringen.
8. Eine Rahmenzeit, in der die als Zeitversäumnis fallende Zeit zu liegen hat, gibt es nicht.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung des Termins vor dem Bayer. Landessozialgericht am 31.08.2011 wird auf 21,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung wegen der Wahrnehmung eines Gerichtstermins nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), zu dem sein persönliches Erscheinen angeordnet worden ist.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (Bayer. LSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit des Antragstellers gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund fand am 31.08.2011 eine mündliche Verhandlung statt; das persönliche Erscheinen des Antragstellers war angeordnet. Die mündliche Verhandlung dauerte von 9.30 Uhr bis 11.40 Uhr.
Mit Entschädigungsantrag vom 31.08.2011 beantragte der Antragsteller die Entschädigung für das Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung am selben Tag. Der Antragsteller gab an, um 7.00 Uhr von zu Hause losgefahren und um 13.30 zurückgekommen zu sein. Er sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren und habe eine Wochenkarte benutzt. Er machte eine Entschädigung wegen Zeitversäumnis geltend.
Am 14.11.2011 erfolgte eine Barauszahlung in Höhe von 12,- € für Zeitversäumnis. Dem wurde eine Entschädigung für Nachteilsausgleich von 9.00 Uhr bis (auf die volle Stunde aufgerundet) 14.00 Uhr abzüglich einer Mittagspause von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr zugrunde gelegt. Mit Schreiben vom 15.11.2011 lehnte der Kostenbeamte des Bayer. LSG eine Entschädigung für Fahrtkosten für die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ab, da der Antragsteller nach eigenen Angaben eine Wochenkarte benutzt habe, die nicht nur zur Reise zum Termin angeschafft worden sei; eine anteilige Erstattung sei nicht möglich.
Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 23.11.2011 gewandt. Er habe die Wochenkarte ausschließlich zu Gerichtszwecken angeschafft.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 23.11.2011 die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Termins vom 31.08.2011 ist auf 21,- € festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch, insbesondere auf Erstattung der Kosten für eine Wochenkarte, besteht nicht, auch nicht anteilsmäßig.
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungswege sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011, Rdnr. 4.12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die Kostenfestsetzung im Verwaltungsweg beschränkt zu sein.
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich - wie hier - um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinne des § 183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
1. Fahrtkosten
Für Fahrtkosten ist keine Entschädigung zu leisten.
Zu entschädigen sind gemäß § 5 JVEG die objektiv durch die Wahrnehmung des gerichtlich festgesetzten Termins erforderlich gewordenen Fahrtkosten. Was objektiv erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung der im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermi...