Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Beitragsnachforderung aufgrund Betriebsprüfung. keine aufschiebende Wirkung trotz drohender Zahlungsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Droht einem Arbeitgeber wegen Beitragsnachforderungen aufgrund Betriebsprüfung die Insolvenz, muss das Gericht der Hauptsache nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG nicht stets die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage wegen besonderer Härte anordnen.
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschuss des Sozialgerichts München vom 2. März 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten auch der Beschwerde.
III. Der Streitwert wird auf 109.696,69 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt die Herstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Beitragsnachforderung auf Grund Betriebsprüfung.
I.
Der Geschäftsführer der Antragstellerin erbrachte im Rahmen einer zum 01.06.2007 angemeldeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen mit D. L. Trockenbau- und Abbrucharbeiten im Raum A-Stadt. In Ausweitung der Tätigkeiten im Baubereich gründete der Geschäftsführer der Antragstellerin zusammen mit H. F. (H. F.) mit Gesellschaftsvertrag vom 03.03.2008 die Firma S. mit Sitz in B., G-Street, Großbritannien. Bei dieser Adresse handelt es sich um ein eineinhalbstöckiges Backsteinhaus, in welchem amtsbekannt mehrere hunderte in der Haftung beschränkte Gesellschaften nach britischem Recht (britische Limited) ihren Firmensitz als Postadresse genommen haben. Geschäftsführer der S. waren der Geschäftsführer der Antragstellerin und H. F. Im April 2008 gründeten diese zusammen mit weiteren 20 in Polen wohnenden Kommanditisten polnischer Staatsangehörigkeit die Antragstellerin. Ihre Komplementärin war zunächst die S.. H. F. und der Geschäftsführer der Antragstellerin waren die handelnden Verantwortungspersonen der operativen Baugeschäftstätigkeit der S.. In der Folgezeit traten eine Vielzahl weiterer Kommanditisten mit einem Kommanditanteil bis maximal 200,00 Euro in die Gesellschaft ein. Dabei handelte es sich um polnische Staatsangehörige, die sich nur vorübergehend in Deutschland aufhielten und die Bauarbeiterleistungen für die Antragstellerin erbrachten. Im Februar 2009 firmierte die Antragstellerin in die jetzige Gesellschaftsform um, wobei die S. ersetzt wurde durch die S. GmbH, welche wiederum gesetzlich vertreten wird durch den Geschäftsführer der Antragstellerin (eingetragen in das Handelsregister des Amtsgerichts A-Stadt unter Nr. HRB 1777877 am 22.02.2009).
Der 1981 in Stettin geborene Geschäftsführer der Antragstellerin sowie H. F. (H. F.) sind durch Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 15.02.2011 (Az. 02 Ls 52 Js 29696/08) wegen jeweils vorsätzlichen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gem § 266a Abs 1 und Abs 2 Nr. 2 StGB zu einer jeweiligen Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Insoweit stand der abgeurteilte Sachverhalt fest "... aufgrund des vollumfänglichen Geständnisses der beiden Angeklagten...". Die Niederschrift der Strafverhandlung dokumentiert, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin und H. F. die angeklagten Vorwürfe eingeräumt und zugegeben haben, dass sie mit bedingtem Vorsatz gehandelt hatten. Als Gesamtschaden ist für die Monate Januar bis November 2008 ein Betrag von 220.242,02 € beziffert. Durch allseitigen Rechtsmittelverzicht noch im Gerichtssaal ist das Urteil rechtskräftig.
In Auswertung der Ermittlungsakten des Hauptzollamtes B-Stadt, Finanzkontrolle Schwarzarbeit sowie der Akten des Strafverfahrens forderte die Antragsgegnerin nach Anhörung vom 15.06.2011 mit Bescheid vom 13.12.2011 von der Antragsgegnerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach für die Zeit 07.01.2008 bis 14.03.2009 in Höhe von 344.614,00 € einschließlich Säumniszuschläge. Das dagegen durchgeführte Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.04.2012). Dagegen hat die Antragstellerin Klage erhoben.
Parallel zum Widerspruchsverfahren hat die Antragstellerin am 09.02.2012 beim Sozialgericht München im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Herstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs (Widerspruch bzw. Klage) beantragt. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, wegen laufender Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a SGB IV der Kommanditisten habe der Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung. Zudem überwiege das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin, weil die Entscheidung der Beklagten rechtswidrig sei. Denn bei den Arbeitnehmern, für welche Beiträge nachgefordert seien, handele es sich nicht um Beschäftigte, sondern um Kommanditisten. Die Höhe der Entgelte sei unzutreffend ermittelt. Die Antragstellerin hat weiter geltend gemacht, die sofortige Vollziehung der Beitragsnachforderung führe zu einer unbilligen Härte, weil die Antragstellerin Insolvenz anmelden müss...