nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Würzburg (Entscheidung vom 20.08.2001; Aktenzeichen S 9 V 10/01 ER) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 20.08.2001 aufgehoben und die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 26.06.2001 und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26.06.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2001 und der Klage vom 07.08.2001 angeordnet.
Gründe
I.
Streitig ist, ob dem am 1911 geborenen Beschwerdeführer (Bf) vom Beschwerdegegner (Bg) gemäß § 1a Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen Verstoßes gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit während der Herrschaft des Nationalsozialismus entzogene Versorgungsleistungen einstweilen bis zur Entscheidung über die - derzeit beim Sozialgericht (SG) Würzburg anhängige - Hauptsache weitergezahlt werden. Der Bf war nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main vom 19.08.1968 wegen Beihilfe zum Mord in zwei Fällen (Tötung von mehreren tausend Juden) zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden. Er verbüßte zwei Drittel der Strafe, der Rest der Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden.
Das Bayer. Landesamt für Versorgung und Familienförderung (BLVF) teilte dem Amt für Versorgung und Familienförderung (AVF) mit Schreiben vom 08.09.2000 mit, dass das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) mit Schreiben vom 19.07.2000 eine CD-Rom mit personenbezogenen Daten übermittelt habe, die von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg (Zentrale Stelle) zur Verfügung gestellt und zwischenzeitlich ausgewertet worden sei. Dem war ein Beschluss der 69. Konferenz der Justizministerinnen und -minister am 17. und 18.06.1998 in Rostock-Warnemünde vorausgegangen, wonach die Zentrale Stelle verpflichtet wurde, zur Durchführung des § 1 a BVG alle dort gesammelten Informationen für eine Auswertung durch die Versorgungsverwaltungen bereitzustellen. Im Rahmen des Datenabgleichs hatte sich für den Bf eine Übereinstimmung ergeben. Das BLVF teilte dem AVF den Namen, das Geburtsdatum und das Aktenzeichen in der Versorgungssache des Bf mit und bat um unverzügliche Einleitung eines Verfahrens nach § 1 a BVG.
Das AVF bat mit Schreiben vom 25.09.2000 die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/Main um Übersendung der vorhandenen älteren Aktenunterlagen des Bf. Der Generalstaatsanwalt beim OLG Frankfurt/Main teilte dem AVF mit Schreiben vom 29.09.2000 mit, dass das Ersuchen um Übersendung der Strafakte KS 2/67 des Bf an das Hessische Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden weitergeleitet worden sei. Das Hauptstaatsarchiv übersandte dem AVF das Strafurteil gegen den Bf in Fotokopie. Von einer Übersendung der mehrere hundert Bände umfassenden Ermittlungsakten wurde im Einverständnis mit dem AVF abgesehen.
Der Bg entzog mit Bescheid vom 26.06.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2001 die Versorgungsleistungen gemäß § 1a BVG im Hinblick auf den sich aus dem beigezogenen Urteil ergebenden Sachverhalt und die Verurteilung des Bf wegen Beihilfe zum Mord an Juden.
Der Bf hat am 21.07.2001 beim SG Würzburg einen Antrag auf (vorläufige) Weiterzahlung der Versorgungsleistungen gestellt und am 07.08.2001 Klage gegen den og Bescheid erhoben. Mit Beschluss vom 20.08.2001 hat das SG den Antrag auf Weiterzahlung der Leistungen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Bf am 10.09.2001 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ua gerügt, der Bg habe sich die Kenntnis vom Strafurteil aus der Zentralen Stelle durch eine Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften verschafft. Außerdem hat er sich bezüglich der Verurteilung und des zugrunde liegenden Sachverhalts auf ein Verwertungsverbot nach dem Bundeszentralregistergesetz (BZRG) berufen und geltend gemacht, durch das Vorgehen des Bg werde er in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, da die Eintragung über die Verurteilung im Register bereits getilgt worden sei.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Auf Anfrage des Senats hat der Bundesbeauftragte für den Datenschutz mitgeteilt, dass er an den Beratungen des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des BVG (Einführung des § 1 a BVG) in den Jahren 1997 und 1998 nicht beteiligt gewesen sei. Während der Bundesbeauftragte für den Datenschutz offen gelassen hat, ob § 12 Abs 3 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG), eingefügt durch das Justizmitteilungsgesetz (JuMiG) vom 18.06.1997, BGBl I 1997 S 1429 ff, auf die Datenübermittlungen der Zentralen Stelle Anwendung findet, hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg eine solche grundsätzlich bejaht. Der Hessische Datenschutzbeauftragte hat die Übermittlung der Daten durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt im Hinblick auf das JuMiG und § 474 Strafprozessordnung (StPO) für zulässig erachtet. Alle gehörten Daten...