Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anspruch einer Optionskommune gegen den Bund auf Erstattung von Personalkosten für zum Vollzug des SGB 2 eingesetztes Personal. vom Freistaat Bayern kostenfrei überlassene bayerische Staatsbeamte. Finanzbeziehung zwischen Bund und Ländern. kommunales Selbstverwaltungsrecht. Organisationshoheit. Erstattung der Personalkosten für einen vergleichbaren kommunalen Bediensteten

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn eine Optionskommune Personal für die Erledigung von Vollzugsaufgaben des Bundes im Bereich des SGB II einsetzt, das die Kommune nicht selbst bezahlen muss (wie zB einen der Kommune überlassenen Staatsbeamten), hat der Bund der Optionskommune die Kosten zu erstatten, die der Kommune in dieser Zeit entstanden sind für vergleichbare kommunale Bedienstete, die alternativ für die Vollzugsaufgaben hätten eingesetzt werden können.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 176.467,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für einen Teilbetrag in Höhe von 44.767,96 Euro ab dem 05. November 2019 und für einen Teilbetrag in Höhe von 131.899,52 Euro ab dem 09.Oktober 2020 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf 177.854,96.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Optionskommune von der Beklagten die Erstattung von Personalkosten für den Einsatz von bayerischen Staatsbeamten im Vollzug des SGB II iHv insgesamt 177.854,96 Euro.

Der Kläger unterhält als seit dem 01.01.2012 zugelassener Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§§ 6a Abs 2 SGB II, 1 KomtrZV nebst Anlage) ein Kommunales Jobcenter als besondere Einrichtung nach § 6a Abs 5 SGB II.

Zur Aufgabenwahrnehmung nach dem SGB II wurden vom Kläger in der besonderen Einrichtung neben Kreisbeamten, tarifbeschäftigten Arbeitnehmern und Amtshilfekräften Staatsbeamte des Freistaates Bayern als Sachbearbeiter eingesetzt (Qualifikationsebene 3). Ein Staatsbeamter war bereits der Rechtsvorgängerin des Klägers, der damaligen Arbeitsgemeinschaft, vom Bayerischen Innenministerium mit Wirkung vom 01.01.2009 zugewiesen worden. Im Kommunalen Jobcenter des Klägers war dieser Staatsbeamte vom 01.01.2012 bis 30.04.2019 beschäftigt. Vom 01.04.2018 bis 30.04.2019 setzte der Kläger zusätzlich einen weiteren bayerischen Staatsbeamten ein.

Seit 2012 wurden die Personalkosten für den Staatsbeamten zwischen dem Kläger und der Beklagten mittels monatlichen Abschlägen und einer anschließenden Spitzabrechnung bis zum 31. März des Folgejahres ausgezahlt und abgerechnet, da der Kläger mit der Beklagten als Kostenträger weder eine Verwaltungsvereinbarung zum Mittelabruf abgeschlossen hat, noch am Haushalts-Kassen-Rechnungswesen-Verfahren (HRK-Verfahren) des Bundes teilnimmt.

Die Abrechnung bayerischer Staatsbeamter, die im Vollzug des SGB II eingesetzt werden, war von der zuständigen Prüfstelle der Beklagten bereits im Jahre 2007 beim Landkreis Würzburg als damaliger Optionskommune thematisiert, aber letztlich nicht beanstandet worden. Auch bei den Schlussabrechnungen mit dem Kläger ab dem Jahr 2012 blieb der Einsatz bayerischer Staatsbeamter zunächst unbeanstandet. Erstmals anlässlich der Schlussabrechnung für das Jahr 2016 wurde von der Beklagten der Einsatz des Staatsbeamten hinterfragt (Schreiben der Beklagten vom 11.8.2017), blieb aber auch hier zunächst unbeanstandet (Schreiben der Beklagten vom 10.11.2017).

Bei der Schlussabrechnung für das Jahr 2017 verweigerte die Beklagte mit Schreiben vom 08.11.2018 (und nochmals mit Schreiben vom 21.03.2019) dem Kläger die Erstattung seiner Personalkosten für den Staatsbeamten. Soweit die Beklagte dem Kläger grundsätzlich zur Erstattung seiner für den Vollzug des SGB II entstehenden Kosten verpflichtet sei, könne das für den eingesetzten Staatsbeamten nicht gelten. Dem Kläger seien für den vom Freistaat Bayern zur Verfügung gestellten Beamten keine abrechenbaren Kosten entstanden. Der Kostenbegriff sei kameral zu verstehen und umfasse nur kassenwirksame Zahlungsflüsse. Solche Zahlungsflüsse seien beim Kläger für den eingesetzten, vom Freistaat Bayern bezahlten Staatsbeamten nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 04.04.2019 forderte der Kläger die Beklagte auf, für das Jahr 2017 einen Betrag iHv 46.155,44 Euro bis spätesten 30.06.2019 zu zahlen; dieser Betrag entspreche 84,8% der Bruttoaufwendungen für den Staatsbeamten (ohne Rückstellungen für die Altersicherung).

Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Aktuell seien die Haushaltsjahre 2016 und 2017 noch nicht mit allen bayerischen kommunalen Trägern abschließend geprüft. Insbesondere würde die Beklagte inzwischen gegen einzelne bayerische kommunale Träger, die ebenfalls bayerische Staatsbeamte eingesetzt haben, sogar Erstattungsforderungen geltend machen. Der Kläger solle ein Musterverfahren gegen die Beklagte führen, mit dem die Rechtslage bzgl der Abrechnung bayerischer Staatsbeamter geklärt ...

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