Nachgehend
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit L 9 AL 261/03 durch die Erledigterklärung des Klägers vom 14.04.2005 erledigt ist.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht (LSG) L 9 AL 261/03 durch die Erledigterklärung des Klägers vom 14.04.2005 erledigt ist.
Der 1941 geborene Kläger verfolgte im sozialgerichtlichen Verfahren erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts -SG- München vom 30.05.2003) neben einem Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) in den Jahren 1968/69 die Aufhebung einer Sperrzeit aus dem Jahre 1968.
Dem Vortrag der Beklagten zufolge sind Leistungsakten des Klägers aus den 60-er Jahren wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Auch sind Gerichtsakten aus dieser Zeit nicht mehr vorhanden.
Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 18.06.2003 durch Einlegung in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt.
Die am 18.07.2003 hiergegen zum Bayer. LSG eingelegte Berufung erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 14.04.2005 nach ausführlicher Erörterung der Streitsache in vollem Umfang für erledigt.
Das bereute er nachträglich und wandte mit Schriftsätzen vom 14.04., 03.05. und 20.07.2005 sinngemäß im Wesentlichen ein, das Rechtsmittel gegen die Beklagte nicht zurückgenommen zu haben, er wünsche ein korrektes Urteil.
Der Senat hat die Streitakten beider Rechtszüge beigezogen.
Der Kläger beantragt,
das Verfahren fortzusetzen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 30.05.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Jahre 1968/69 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte stellt den Antrag,
festzustellen, dass der Rechtsstreit durch die Rücknahme der Berufung erledigt ist.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 03.08.2005.
Entscheidungsgründe
Die am 14.04.2005 in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat ordnungsgemäß protokollierte, den Beteiligten, also auch dem Kläger, vorgelesene und von diesem genehmigte Erledigterklärung, § 122 SGG i.V.m. § 162 ZPO, stellt zur Überzeugung des Senats eine wirksame Prozesshandlung dar, die gegenüber dem Berufungsgericht abgegeben worden ist. Als einseitige empfangsbedürftige Prozesserklärung des Klägers ist sie unbedingt, unzweifelhaft und eindeutig abgegeben worden, vgl. BSG SozSich 80.285.
Sie ist mit der herrschenden Meinung als Rücknahmeerklärung auszulegen, vgl. Beschluss des Senats vom 06.04.2005, L 9 B 249/01 AL ER, stellt ihrem objektiven Erklärungsinhalt nach die Zurückziehung der Rechtsschutzbitte dar und wünscht eine Entscheidung des LSG ausdrücklich nicht mehr. Denn so ist sie aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers nach Treu und Glauben zu verstehen, vgl. Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, Einführung vor §§ 116 ff. BGB. Mit ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist sie wirksam geworden, sie hat einerseits den anhängigen Rechtsstreit erledigt und andererseits gemäß § 156 Abs.2 Satz 1 SGG den Verlust des Rechtsmittels bewirkt, vgl. BSGE 19.120, zumal sich vernünftige Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers nicht ergeben haben.
Der Erledigterklärung des Rechtsmittels der Berufung ist es ebenso wie der Rücknahme der Klage wesenseigen, dass das Verfahren nicht mehr beliebig zum Aufleben gebracht werden kann, vgl. Bayer. LSG vom 31.10.1990, L 9 V 69/87, vom 01.12.1998, L 9 AL 163/98. Mithin ist sie weder wegen des Vorliegens eines Willensmangels anfechtbar, noch frei widerrufbar. Dies folgt mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen aus den von Rechtsprechung und -lehre entwickelten Grundsätzen der allgemeinen Prozessrechtslehre, wonach die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Anfechtung von Willenserklärungen (§§ 119 ff. BGB) auf Prozesshandlungen nicht anwendbar sind. Denn die Rechtswirksamkeit einer eindeutigen Verfügung einer Prozesspartei über die Gestaltung der zukünftigen prozessualen Beziehungen der Beteiligten zueinander kann nicht deswegen entfallen, weil etwa ein Irrtum zugrunde gelegen hat. Das öffentliche Interesse an einem geordneten Prozessgang verbietet es nämlich ebenso wie die Rechtssicherheit, dass eine Prozesserklärung wie vorliegend auf unbestimmte Zeit in der Schwebe bleiben kann, vgl. BSG vom 06.04.1960, 11/9 RV 100/57 m.w.N.
Auch über den grundsätzlich unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß §§ 179, 180 SGB i.V.m. §§ 578 ff. ZPO statthaften Widerruf kann das Begehren des Klägers nicht erfolgreich sein. Denn einer der anerkannten Gründe im Sinne der oben genannten Vorschriften der ZPO ist weder von ihm vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
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