Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Gerichtskostenpflicht bei Beteiligung eines Jobcenters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gehören in einem Rechtszug weder Kläger noch Beklagter zu den in § 183 SGG genannten Personen, sind grundsätzlich Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu erheben, auch wenn ein Jobcenter als Kläger oder Beklagter beteiligt ist.

2. Von der grundsätzlichen Gerichtskostenpflicht zu trennen ist die parteibezogene Befreiung von den Gerichtskosten.Jobcenter sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 S. 2 HS 1 SGB X von den Gerichtskosten befreit.

 

Tenor

Auf die Erinnerung vom 21.06.2019 wird die Gerichtskostenfeststellung vom 28.03.2019 aufgehoben.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob der Erinnerungsführer als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende Kostenschuldner der Gerichtskosten für das Verfahren L 15 AS 636/17 ist.

Im Verfahren L 15 AS 636/17 vor dem Bayerischen Landessozialgericht (nachfolgend BayLSG) war streitig ein Auskunftsverlangen des damaligen Berufungsklägers und hiesigen Erinnerungsführers (nachfolgend Ef.) nach § 60 Abs. 2 SGB II gegenüber der Berufungsbeklagten als möglicher Schuldnerin eines Unterhaltsanspruchs des Leistungsbeziehers.

Mit Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlages durch die Ef. mit Schriftsatz vom 16.07.2018 und durch die Berufungsbeklagte mit Schriftsatz vom 10.09.2018 endete das Berufungsverfahren. Mit Beschluss vom 28.03.2019 wurden die Kosten des Verfahrens dem Ef. und der Berufungsbeklagten je zur Hälfte auferlegt und der Streitwert auf 5.000,00 € festgesetzt.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 28.03.2019 wurden beim Ef. hälftige Gerichtskosten aus einem Streitwert von 5.000,00 € in Höhe von 146,00 € erhoben. Die Zahlung ging am 07.05.2019 ein.

Der Ef. hat am 21.06.2019 Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 28.03.2019 eingelegt. Er sei als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X von den Gerichtskosten befreit. Verwiesen werde auf den Beschluss des BayLSG vom 24.07.2018, Az. L 12 SF 106/17, sowie vom 19.02.2014, Az. L 7 AS 381/12. Auch habe das BSG in einem Verfahren des Ef. gegen einen Vermieter trotz Klageabweisung Gerichtskosten gemäß Kostenrechnung vom 31.01.2014 im Verfahren B 14 AS 15/13 R erstattet.

Der Erinnerungsgegner (nachfolgend Eg.) hat mit Schriftsatz vom 01.07.2019 vorgetragen, dass der Kostenansatz dem Kostenbeamten obliege. Eine für den Kostenbeamten verbindliche Entscheidung des Gerichts der Hauptsache, dass das Verfahren kostenfrei sei, liege nicht vor. Der genannte Beschluss vom 24.07.2018 betreffe Träger der Sozialhilfe. Der Ef. sei aber kein Träger der Sozialhilfe. Das BayLSG habe bereits mit Beschluss vom 07.11.2017, Az. L 7 SF 55/07 AS, entschieden, dass die Formulierung in § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X, "§ 197a SGG bleibt unberührt", zur Gerichtskostenpflicht führe.

Der Ef. hat hierzu mit Schriftsatz vom 02.10.2019 ausgeführt, dass er als Träger der Grundsicherung nach § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X von den Gerichtskosten befreit sei. Der Verweis auf § 197a SGG meine nicht, dass der Ef. die Gerichtskosten dennoch zu tragen habe; hierzu werde auf die Kommentierung von Roos, in: v. Wulffen/Schütze zu § 64 SGB X verwiesen. Auch werde auf den Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 18.03.2015, Az. L 6 SF 71/15 B, hingewiesen.

Die Gerichtsakten zum Verfahren L 15 AS 636/17 lagen vor.

II.

Die Erinnerung ist zulässig und begründet.

1. Eine Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts - BayLSG -, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E und vom 15.12.2016, Az.: L 15 SF 331/16 E; Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2016, § 66, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Damit ist im Erinnerungsverfahren zwar der Einwand unbeachtlich, das Gericht der Hauptsache habe fälschlicherweise aufgrund von § 197a Abs. 1 SGG die Anwendbarkeit des GKG bejaht und auf dieser Grundlage u.a. einen Streitwertbeschluss nach § 63 GKG erlassen. Eine Verletzung des Kostenrechts kann aber in Hinblick auf eine Gerichtskostenbefreiung des in Anspruch genommenen Kostenschuldners vorliegen, da nach § 2 Abs. 5 S. 1 GKG Kosten auch dann nicht zu erheben sind, wenn sie einem von den Gerichtskostenbeteiligten befreiten Beteiligten auferlegt worden sind ( s.a. Thüringer LSG, Beschluss vom 04.05.2018 - L 1 SF 289/16 B).

2. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde das Verfahren dem Senat übertragen (§ 66 Abs. 6 S. 2 GKG), der ohne die die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter entscheidet (§ 66 Abs. 6 S. 3 GKG).

3. Der Ef. ist von der Zahlung von Gerichtskosten im Verfahren L 15 AS 63...

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