Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner. Mitgliedschaft. Beginn. Vorversicherungszeit. Zeitpunkt der Rentenantragstellung. Fristhemmung. Geschäftsunfähigkeit
Orientierungssatz
1. Die Festlegung eines Mitliedschaftsbeginns in der KVdR auf ein fiktives Datum unter Zugrundelegung eines fiktiven Rentenantrags wegen Hemmung der Ausschlussfrist des § 99 SGB 6 nach dem Grundgedanken des § 206 BGB idF vom 1.1.1964 bzw § 210 Abs 1 BGB - Hemmung des Fristablaufs bei Geschäftsunfähigkeit - ist nicht mit dem klaren Wortlaut des § 189 Abs 2 SGB 5 in Einklang zu bringen. Demzufolge beginnt die Mitgliedschaft in der KVdR bei erfüllter Vorversicherungszeit mit dem Tag der Rentenantragstellung. Gerade weil das SGB 5 nur diese klare Regel kennt, nicht aber eine dem § 99 SGB 6 verwandte, besteht kein Raum für eine Fiktion.
2. Das Sozialversicherungsrecht kennt keinen allgemeinen Rechtssatz, nach dem der Lauf einer Frist immer gehemmt ist, sobald sie die Belange eines Geschäftsunfähigen ohne gesetzlichen Vertreter berührt.
3. Allein die Bestellung eines Betreuers hat keine Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten. Die Bestellung eines Betreuers setzt somit nicht die Geschäftsunfähigkeit der zu betreuenden Person voraus.
Nachgehend
Tenor
I. |
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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Juli 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen. |
II. |
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Mitgliedschaft der Klägerin in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner streitig.
Die ... 1939 geborene Klägerin bezog bis 28.09.1998 Arbeitslosengeld und war nach § 5 Abs. 1 Nr.2 SGB V pflichtversichert in der Kranken- und Pflegeversicherung der Beklagten. Wegen vorhandenen Vermögens erhielt sie keine Arbeitslosenhilfe. Die Klägerin versicherte sich auch nicht freiwillig bei der Beklagten weiter. Ärztliche Behandlungen im Zeitraum ab Ende 1998 sind nicht aktenkundig.
Am 03.12.2005 erlitt die Klägerin eine Oberschenkelhalsfraktur und wurde in die Kreisklinik D eingeliefert, wo sie sich bis 23.12.2005 befand. Im nervenärztlichen Gutachten vom 12.12.2005 wurde unter anderem der Verdacht auf eine schizoide Persönlichkeitsstörung geäußert.
Im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt wurde die Klägerin zur Kurzzeitpflege in das Heim Pro-Seniore-B verlegt, wo sie später in die reguläre Pflegestation übernommen wurde.
Am 31.10.2005 hatte die Stiefschwester der Klägerin, Frau H, beim Vormundschafsgericht die Bestellung eines Betreuers angeregt, da im Jahr 2005 bereits dreimal hätte nachgeschaut werden müssen, inwieweit sich die Klägerin noch selbst helfen könne, da sie auf Klingeln und Klopfen nicht reagiert habe.
Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B erstellte am 12.12.2005 ein Gutachten zur Betreuerbestellung. Er stellte eine Störung der Kognitition, Orientierung und des Antriebs fest und äußerte den Verdacht auf eine schizoide Persönlichkeitsstörung.
Mit Beschluss vom 21.12.2005 wurde Herr S zum Betreuer bestellt mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim- und Pflegevertrages, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Entscheidung über die Unterbringung. Im Einvernehmen mit dem Betreuer wurde die Klägerin vom Krankenhaus D zur Kurzzeitpflege in das Pro-Seniore verlegt, wobei laut Entlassungsbericht bekannt war, dass die Klägerin keine eigene Krankenversicherung hatte.
Der Betreuer stellte am 27.12.2005 einen Antrag auf Altersrente für Frauen.
Mit Schreiben vom 03.01.2006 beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung Schwaben Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne von § 99 Abs. 1 SGB VI.
Er legte eine nervenärztliche Bescheinigung von Dr. B vom 19.01.2006 vor, der auf Grund der Fremdanamnese durch Stiefschwester und deren Ehemann, mehrere Nachbarn und Pflegepersonal sowie die eigene Untersuchung die Auffassung vertrat, dass die Handlungsunfähigkeit der Klägerin bereits in den letzten zehn Jahren deutlich reduziert gewesen sei, so dass mit ausreichender Sicherheit gesagt werden könne, dass sie bereits im Jahr 1998 krankheitsbedingt nicht ausreichend in der Lage gewesen wäre, Regelungen mit Behörden, Versicherungen und ärztlichen Stellen durchzuführen. Zudem lag ein Schreiben der Nachbarin M H vom 09.01.2006 bei, in dem diese das Verhalten der Klägerin in den letzten fünf Jahren schilderte und ein weiteres Schreiben der Stiefschwester L H vom 10.01.2006, die unter anderem angab, dass Briefe auch der Rentenanstalt ungeöffnet abgelegt waren.
Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Schwaben zunächst Altersrente für Frauen ab Antragstellung im Dezember 2005 gewährt hatte, prüfte sie noch eine Rentengewährung ab dem 60. Lebensjahr. Dr. W vom Sozialärztlichen Dienst der DRV S ging in s...