Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung der Aufwendungen des Rentenversicherungsträgers für einen stationären Rehabilitationsaufenthalt einer Beschäftigten einer Werkstatt für Behinderte. Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen nach § 10 Abs 1 Nr 2 SGB 6. Diskriminierungsverbot. Zuständiger Rehabilitationsträger. Wartezeit
Orientierungssatz
Auch im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot nach Art 3 Abs 3 S 2 GG sind die Voraussetzungen des § 10 SGB 6 für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von (erwerbsunfähigen) Behinderten erfüllt, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt und nach § 1 S 1 Nr 2 Buchst a SGB 6 versichert sind. Vorausgesetzt wird hier, dass die medizinischen Rehabilitationsleistungen für den weiteren Verbleib in der Werkstatt für Behinderte notwendig sind.
Normenkette
SGB IX § 14 Abs. 4, § 40 Abs. 1 Nr. 2; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 2a), § 10 Abs. 1 Nr. 2b), §§ 12, 43 Abs. 6; GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Der Gegenstandswert wird auf 4.661,95 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten in Höhe von 4.661,95 EUR für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Versicherte der Beklagten A. (= Beigeladene) streitig.
Die 1950 geborene Beigeladene ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sie leidet am Down-Syndrom und ist seit Dezember 1991 in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig. Am 08.06.2006 wurde bei ihr eine zementfreie Hüfttotalendoprothese(TEP)- Implantation rechts bei Hüftkopfnekrose durchgeführt (Krankenhausbehandlung vom 07. bis 23.06.2006 in der Orthopädischen Klinik L., S.). Vom 23.06. bis 21.07.2006 befand sich die Beigeladene zur medizinischen Rehabilitation (Anschlussheilbehandlung - AHB - ) im BRK-Haus A. in K. Anschließend war sie bis 03.09.2006 arbeitsunfähig krank. Am 04.09.2006 nahm sie ihre Tätigkeit in der WfbM wieder auf.
Den im Vorfeld bei der Beklagten gestellten Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 12.06.2006 leitete die Beklagte mit Fax vom 20.06.2006 an die Klägerin “zuständigkeitshalber„ nach § 14 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) weiter. Diese übernahm die Kostenträgerschaft für die beantragte Maßnahme, nachdem der Sozialmedizinische Dienst einen Rehabilitations-Bedarf “im weitgefassten Sinn„ festgestellt hatte. Gleichzeitig machte die Klägerin bei der Beklagten einen auf § 14 Abs. 4 SGB IX gestützten Erstattungsanspruch geltend. Weil die bei der Beigeladenen vorliegende Erwerbsminderung durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt habe werden können, seien die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt gewesen.
Mit Schriftsatz vom 13.09.2006 lehnte die Beklagte den geltend gemachten Erstattungsanspruch ab. Die Beigeladene sei seit 02.12.1991 in einer Werkstatt für Behinderte tätig und nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtig. Solche Versicherte erhielten weiterhin medizinische Leistungen zur Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger, auch wenn die bestehende Erwerbsunfähigkeit voraussichtlich nicht im Sinne des § 10 SGB VI behoben und eine Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erreicht werden könne. Es sei lediglich erforderlich, dass die medizinischen Leistungen für den weiteren Verbleib in der Werkstatt für Behinderte notwendig seien. Zur Begründung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs werde angeführt, dass hier ein Rehabilitationsbedarf im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 10 SGB VI nicht vorgelegen habe. Nachdem dies hier nicht Voraussetzung für die Leistungspflicht gewesen sei, bleibe die dortige Zuständigkeit für die durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme bestehen.
Mit der zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI Personen, die in einer Werkstätte für behinderte Menschen tätig seien, als voll erwerbsgemindert gelten würden. Damit sei die Behebbarkeit der Erwerbsminderung als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation durch die Rentenversicherung nicht gegeben. Nach einhelliger Auffassung reiche es nicht aus, wenn die Leistung zur Teilhabe zwar einen gewissen Erfolg verspreche, dieser aber den Eintritt der Erwerbsminderung nicht abwenden könne. Anders als für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, bei denen als Ziel der Leistung genüge, wenn der Versicherte ein “Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung„ im Sinne des § 136 SGB IV erbringen könne, existiere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation...