nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Nürnberg (Entscheidung vom 12.10.1999; Aktenzeichen S 16 V 76/97) |
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 12.10.1999 und der Bescheid des Beklagten vom 26.11.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.1997 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 01.04.1996 Beschädigtenversorgung eines Erwerbsunfähigen zu gewähren.
III. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger ab April 1996 Anspruch auf die Versorgungsrente eines Erwerbsunfähigen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.
Bei dem am ...1924 geborenen Kläger waren mit Ausführungsbescheid vom 03.06.1991 als Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 vH anerkannt: 1. Verlust des linken Beines im Oberschenkel mit Phantomschmerzen, ungünstige Weichteilstumpfverhältnisse und statische Belastungsbeschwerden der Wirbelsäule. 2. Narben und Weichteilstecksplitter im Bereich des kleinen Beckens, der linken paravertebralen Rückenmuskulatur und des Oberschenkelstumpfes, Narbe am rechten Kniegelenk. 3. Rezidivierende Hautveränderungen im Stumpfbereich. 4. Veränderungen im Bereich des linken Daumengrundgelenkes Nrn 1, 2 und 4 iS der Entstehung, Nr 3 iS der Verschlimmerung.
Mit Bescheid vom 23.11.1993 gewährte der Beklagte Versorgungsrente nach einer MdE um 90 vH einschließlich einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 BVG.
Mit Neufeststellungsantrag vom 09.04.1996 machte der Kläger eine Leidensverschlimmerung im Bereich der linken Hand und als weitere Schädigungsfolge eine beginnende Funktionseinschränkung der rechten Hand geltend und begehrte Rente nach einer MdE um 100 vH. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Neufeststellung mit Bescheid vom 26.11.1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 21.10.1997 ab.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg hat der Kläger die Gewährung einer Rente nach einer MdE von 100 vH begehrt. Der vom SG gehörte Orthopäde Dr ... hat in seinem Gutachten vom 17.08.1998/ 01.09.1999 für die leichte Verschlimmerung der Verhältnisse an beiden Daumen eine zusätzliche Teil-MdE von unter 10 vH angenommen und die Gesamt-MdE ab April 1996 mit 93 vH bewertet. Daraufhin hat der Beklagte die bisherige Schädigungsfolge Nr 4 mit Wirkung ab 09.04.1996 in "Veränderungen im Bereich der Daumengrund- und Daumensattelgelenke beidseits" im Wege eines Teilanerkenntnisses abgeändert. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.10.1999 im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Berufung auf das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 19.01.1999, Az: L 15 V 105/95 und das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22.09.1977, Az: 10 RV 69/76 ausgeführt, die von dem Sachverständigen Dr ... festgestellte zusätzliche MdE von weniger als 5 vH stelle nach der auch für § 48 SGB X geltenden ständigen Rechtsprechung des BSG keine wesentliche Änderung dar. Die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG, die den Anspruch auf die Rente eines Erwerbsunfähigen bei einer MdE von (über 90 vH) begründe, beinhalte - bei einer bindend festgestellten Gesamt-MdE von 90 vH als Vergleichsbasis - keine Ausnahme von diesem Grundsatz.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und gerügt, das SG habe mit seiner Entscheidung gegen die Regelung des § 31 Abs 3 Satz 2 BVG verstoßen. Diese Vorschrift sei gegenüber § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) vorrangig. Erwerbsunfähigkeit liege kraft der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung nicht erst bei einem MdE-Grad von 100 vH vor, sondern ausnahmsweise bereits bei einer MdE von mindestens 91 vH.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des SG Nürnberg vom 12.10.1999 und den Bescheid des Beklagten vom 26.11.1996 idF des Widerspruchsbescheides vom 21.10.1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 01.04.1996 Beschädigtenversorgung eines Erwerbsunfähigen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 12.10.1999 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigtenakten und die Schwerbehindertenakte des Beklagten, die Archivakten des SG Nürnberg S 10 Vs 231/92 und S 7 V 105/89 und die Gerichtsakten des ersten und zweiten Rechtszuges Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung der Rente eines Erwerbsunfähigen ab 01.04.1996.
Wer in seiner Erwerbsfähigkeit um mehr als 90 vH beeinträchtigt ist, gilt als erwerbsunfähig (§ 31 Abs 3 Satz 2 BVG). Ein Beschädigter erhält die Rente eines Erwerbsunfähigen (§ 31 Abs 1 Satz 1 BVG) sobald eine MdE von mindestens 91 vH vorliegt; einer MdE-Änderung um 5 vH, um die Rente eines Erwerbsunfähigen zu erreichen, bedarf es nicht. Bei der Regelu...