Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung: Abänderung der Bewilligung von Grundleistungen. Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 45 SGB 10 und § 48 SGB 10. fortbestehende Anspruchseinschränkung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 45 SGB X und § 48 SGB X - und eine in Konsequenz notwendige Ermessensausübung - kommt es auch im Rahmen des AsybLG nicht auf die Kenntnis der Behörde, sondern die objektive Sach- und Rechtslage an.
2. Eine fortbestehende Anspruchseinschränkung wird grundsätzlich nur anzunehmen sein, wenn kein freier Zeitraum nach einer erstmaligen Anspruchseinschränkung besteht.
3. Bei Wegfall der Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung ist die Leistungsbewilligung nicht erst ab dem Folgemonat zu ändern.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Februar 2019 abgeändert und der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheids vom 12. September 2016 und Abänderung seines Bescheids vom 27. November 2017, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2018, verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 31. Januar 2018 und für die Zeit vom 22. Februar bis 28. Februar 2018 Grundleistungen i.H.v. monatlich 320,14 EUR unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen für den Lebensunterhalt zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat sechs Zehntel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger im Zeitraum von Oktober 2016 bis Februar 2018 Anspruch auf höhere laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) hat.
Der Kläger, nach eigenen Angaben 1980 geboren und Staatsangehöriger Ugandas, reiste am 14.03.2012 über einen unbekannten Flughafen nach Deutschland ein und beantragte spätestens am 28.03.2012 Asyl. Die Regierung von Schwaben wies ihn ab dem 17.04.2012 einer Gemeinschaftsunterkunft im Gebiet des Beklagten zu (Bescheid vom 11.04.2012). Im Rahmen seiner Anhörung im Asylverfahrens beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gab der Kläger u.a. an, seine Personalpapiere seien in Deutschland verloren gegangen. Das BAMF lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 01.12.2015 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote vorlägen, und forderte den Kläger zum Verlassen der Bundesrepublik binnen einer Woche auf. Den hiergegen gerichteten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage lehnte das Bayer. Verwaltungsgericht Augsburg (VG) mit Beschluss vom 22.12.2015 (Au 4 S 15.30739) ab. Die Klage selbst wurde vom VG mit Urteil vom 03.05.2016 (Au 4 K 15.30738) abgewiesen, in Bezug auf die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet. Eine vom Kläger im Asylverfahren behauptete Vaterschaft zu einem in Deutschland lebenden Kind besteht nach dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - B-Stadt vom 20.06.2017 (4 F 129/17) nicht.
Aufgrund des Beschlusses des VG vom 22.12.2015 war der Kläger vollziehbar ausreisepflichtig und erhielt seitdem nur mehr Duldungen. Die Ausländerbehörde des Beklagten wies den Kläger erstmals mit Schreiben vom 29.01.2016 auf die Passpflicht und die Pflicht zur Mitwirkung an der Beschaffung von Identitätspapieren hin und forderte ihn auf, seinen gesetzlichen Verpflichtungen aus § 3 Abs. 1 und § 48 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nachzukommen. Dem Kläger wurde eine Frist bis 08.04.2016 gesetzt. Mit Schreiben vom 17.02.2016 an seinen Prozessbevollmächtigten erfolgte eine weitere Aufforderung an den Kläger dahin, dass bis 08.04.2016 ein Antrag auf Passersatzpapiere ausgefüllt und vier biometrische Passbilder abgegeben werden sollten. Der Kläger wurde in der Folge wiederholt von der Ausländerbehörde auf die Passpflicht und die Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben hingewiesen, u.a. wurde ihm bei einer Vorsprache am 27.09.2016 ein diesbezüglicher Hinweis auch in Englisch ausgehändigt. Bei seiner persönlichen Vorsprache am 12.10.2017 weigerte sich der Kläger, den Antrag auf Ausstellung eines Passersatzpapiers auszufüllen. Er wurde aufgefordert, Identitätsnachweise vorzulegen und sich um die Beschaffung eines Heimreisedokuments zu bemühen. Der Kläger gab zudem an, er habe durchaus Kontakt nach Uganda, da er sich von dort Nachweise zuschicken lassen wolle, dass eine Rückkehr nach Uganda für ihn unzumutbar sei. Identitätsdokumente könne ihm seine Schwester nicht zuschicken.
Den Asylfolgeantrag des Klägers vom 18.12.2017 lehnte das BAMF mit Bescheid vom 21.12.2017 als unzulässig ab. Im nachfolgenden Klageverfahren beim VG (Au 4 K 18.30024) erbrachte eine Anfrage beim Auswärtigen Amt, dass ein vom Kläger zum Beleg seiner Verfolgung vorgelegtes Dokument nicht echt sei. Die Klage wurde mit Urteil vom 26.09.2018 abgewiesen und der Antrag auf Zulassung der Berufung vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27.02.2019 (9 ZB 18.32859) abgelehnt. Eine ...