Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. kein Entfallen eines Pflichtverstoßes bei vermeintlicher Unkenntnis oder bei Irrtum über die Rechtslage. fehlerhafte Abrechnung durch Praxispersonal. kein Entfallen des Vorwurfes der Fahrlässigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein vertragsärztlicher Pflichtverstoß entfällt weder bei einer vermeintlichen Unkenntnis des Vertragsarztes noch bei einem Irrtum über die Rechtslage.

 

Orientierungssatz

Soweit ein Vertragsarzt bezüglich eines Abrechnungsverstoßes bei der Gebührenordnungsposition 4653 des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (juris: EBM-Ä) darauf hinweist, dass die fehlerhafte Abrechnung durch das Praxispersonal erfolgt sei, entfällt nicht der Vorwurf der Fahrlässigkeit.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.08.2012; Aktenzeichen B 6 KA 13/12 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. März 2008 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2005 abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Disziplinarbescheids.

Der Kläger ist Hautarzt und als Vertragsarzt in A-Stadt zugelassen. Er war in Gemeinschaftspraxis mit Dr. N. tätig, ab Januar 2002 auch in Gemeinschaftspraxis mit Dr. M. Mit Bescheid vom 20.11.2000 verhängte die Beklagte ein Ruhen der Zulassung für die Dauer von 2 Jahren. Die hiergegen erhobene Klage führte zu einem Teilerfolg und zu einer vergleichsweisen Erledigung. Das Ruhen der Zulassung wurde auf 3 Monate reduziert, beginnend ab 1.7.2004.

Die Beklagte leitete mit Schreiben vom 12.6.2003 eine Plausibilitätskontrolle nach § 83 Abs. 2 SGB V für die Quartale 3 und 4/2001 sowie 1 bis 4/2002 ein. Die Prüfung erfolgte hinsichtlich der Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) 3884, 4658 und 4653 des Abschnitts O des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM).

Durch Bescheide vom 13.8.2004 für die Quartale 3 und 4/2001 sowie 1 bis 4/2002 erfolgten sachlich-rechnerische Richtigstellungen hinsichtlich der GOP 4653 EBM (Fungiqual-A-Test) sowie der Abrechnung der Nummer 4658 EBM.

Mit Schreiben vom 20.10.2004 beantragte die Beklagte, Bezirksstelle Schwaben, durch den Vorsitzenden Dr. H. die Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Der Fungiqual A-Test entspreche nicht der Leistungslegende der GOP 4653 EBM, sondern der niedriger bewerteten GOP 3937 EBM, da die Färbung mit Fungiqual A keine Immunofloureszenz nach GOP 4653 EBM sei. Es finde keine Antigen-Antikörper-Reaktion statt. Ferner habe der Kläger die GOP 3884 EBM, mit der die Untersuchung von Haut- und Schleimhautabstrichen korrekterweise abzurechnen wäre, im Prüfzeitraum in keinem Fall abgerechnet und stattdessen die höher bewertete EBM-Nummer 4658 angesetzt. Insoweit habe er eingeräumt, dass in ca. 5 % der Fälle, in denen die GOP 4658 EBM abgerechnet wurde, nicht Hautpartikel, Hautbestandteile oder Nagelmaterial untersucht worden seien, sondern Schleimhautabstriche. Der Kläger habe als Mitglied der Gemeinschaftspraxis nicht entsprechend den Vorgaben der Gebührenordnung abgerechnet bzw. Leistungen abgerechnet, die aufgrund fehlenden Materialbezugs nicht oder nicht nach den Vorgaben der Gebührenordnung erbracht worden sein konnten. Der Kläger habe dadurch gegen die vertragsärztliche Pflicht der peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Dieser Verstoß sei schuldhaft, da die festgestellten Fehler bereits im Rahmen einer früheren Plausibilitätsprüfung der im Jahre 1998 abgerechneten O III-Leistungen festgestellt worden seien.

Mit Bescheid vom 10.2.2006 verhängte die Beklagte gegen den Kläger eine Geldbuße in Höhe von 10.000 € wegen Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten. Zur Überzeugung des Ausschusses habe der Kläger gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Bei der Anwendung des Fungiqual-A-Testes habe er die GOP 4653 angesetzt. Dieses Testverfahren sei eine einfache und preisgünstige Färbemethode zur Diagnose von Pilzerkrankungen, nicht jedoch eine immunologische Färbemethode. Es handele sich gerade nicht um eine Antigen-Antikörper-Reaktion. Ferner habe der Kläger nicht den erforderlichen Materialbezug für die Erbringung der Leistung nach GOP 4653 nachweisen können; er habe aus 10 ml Fungiqual A bis zu 40 Tropfen gewonnen, die jeweils für eine Untersuchung verwendet wurden. Diese Anzahl von 400 Tests entspreche jedoch nicht den Vorgaben des Herstellers, nach denen eine Einheit von 10 ml nur für 20 Tests ausreiche. Im übrigen habe der Kläger gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen, indem er beim Ansatz der GOP 4658 in 5-10 % aller Fälle lediglich Haut- oder Schleimhautabstriche untersucht habe, die nach der Leistungslegende ausgeschlossen seien. Insoweit sei lediglich die Nummer 3884 abrechenbar. Soweit der Kläger vorgetragen habe, dieser Fehler sei auf das Praxispersonal zurückzuführen, liege ein Verstoß gegen die ausreichende Überwachung und Kontrolle des Pers...

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