Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwenbeihilfe. selbständig gewesener Beschädigter. kein Berufswechsel. schädigungsbedingter Minderverdienst. Feststellung von derzeitigem Einkommen und Vergleichseinkommen
Orientierungssatz
1. Die Beihilfe für die Witwe eine selbständig gewesenen Beschädigten hängt wie der BSA davon ab, ob eine Differenz zwischen dem Vergleichseinkommen und dem Einkommen bestand, das der Beschädigte als Unselbständiger mit der verbliebenen Arbeitskraft noch hätte verdienen können (vgl BSG vom 16.5.1995 - 9 RV 13/93 = SozR 3-3100 § 48 Nr 8).
2. Entscheidend für einen schädigungsbedingten Minderverdienst iS des § 30 Abs 4 S 1 BVG ist nicht die Gegenüberstellung des Vergleichseinkommens mit dem tatsächlichen Einkommen, sondern mit dem Einkommen, das der Beschädigte trotz seiner Beschädigung noch zumutbar erzielen könnte. Bei Selbständigen entspricht das tatsächliche Einkommen nämlich nicht dem zumutbar erzielbaren Einkommen (vgl BSG vom 16.5.1995 - 9 RV 13/93 = SozR 3-3100 § 48 Nr 8). Bei ihnen ist vielmehr entscheidend, was sie nach ihrer nach der Schädigung gezeigten Leistungsfähigkeit noch auf dem Arbeitsmarkt als Unselbständige erzielen könnten (vgl BSG vom 16.5.1995 - 9 RV 13/93 = SozR 3-3100 § 48 Nr 8).
3. Für die Feststellung des derzeitigen Einkommens iS des § 30 Abs 4 S 1 BVG ist der Selbständige als Unbeschädigter und als Beschädigter in die jeweils passende Gruppe der Besoldungsordnung einzustufen. Maßgebend ist das Einkommen, das der Beschädigte als Bewerber um eine unselbständige Berufsstellung wahrscheinlich erzielen würde. Dabei sind nähere Feststellungen über die geistigen und körperlichen Anforderungen einer bestimmten Tätigkeit zu treffen. Das Tatsachengericht hat in freier Würdigung das trotz der Schädigung verbliebene Leistungsvermögen des Beschädigten für eine bestimmte Tätigkeit einzuschätzen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin Witwenbeihilfe gem. § 48 Bundesversorgungsgesetz (BVG) zusteht.
Die Klägerin ist die Witwe des am 24.01.1995 verstorbenen Versorgungsberechtigten (VB), bei dem als Schädigungsfolge "Verlust des rechten Unterschenkels" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v.H. anerkannt war.
Der 1922 geborene VB erlernte das Photographen-Handwerk und legte 1940 die Gesellenprüfung ab. Anschließend arbeitete er bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst im Jahr 1941 als Gehilfe in einem Photogeschäft. Nach dem Krieg war er zunächst im elterlichen Photogeschäft in Wiesentheid/Ufr. angestellt, das er denn als Selbständiger von 1954 bis zur Betriebsaufgabe 1977 weiterführte. Vom 15.11.1965 bis 20.12.1965 befand er sich wegen eines handbreitgroßen Abszesses am Unterschenkelstumpf in stationärer Behandlung. Am 20.07.1965 stellte er erstmals Antrag auf Berufsschadensausgleich (BSA). Zur Begründung gab er an, sein Einkommen sei im Jahr 1965 gegenüber den Jahren 1963 und 1964 u.a. wegen der Schädigungsfolgen geringer gewesen. Der Beklagte lehnte die Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und Gewährung von BSA mit Bescheid vom 03.06.1966 mit der Begründung ab, der VB sei aufgrund der Art der anerkannten Schädigungsfolge in der Lage gewesen, seinen Beruf als Photograph auszuüben. Nach der Betriebsaufgabe 1977 war der Kläger arbeitslos und erhielt vom Beklagten unter Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruches gegenüber seiner Ehefrau neben der Grundrente Ausgleichsrente. Einen zweiten Antrag auf Gewährung von BSA vom 17.01.1978 lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, die Betriebsaufgabe sei nicht wegen der Schädigung erfolgt, sondern auf die allgemeine wirtschaftliche Lage zurückzuführen, die gerade Kleinbetriebe im ländlichen Bereich erfaßt habe. Mit Vollendung des 65. Lebensjahres bezog er von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Altersruhegeld in Höhe von monatlich 214,50 DM.
Den Antrag der Klägerin auf Witwenversorgung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18.05.1995 mit der Begründung ab, der VB sei nicht an den Folgen der Schädigung verstorben und Witwenbeihilfe stehe nicht zu, da die Hinterbliebenenversorgung schädigungsbedingt nicht mindestens um 10 Prozent gemindert sei. Im Widerspruchsverfahren begehrte die Klägerin nur noch die Gewährung von Witwenbeihilfe und wies darauf hin, daß ihr Ehemann seinen Beruf nur in dem Umfang habe ausüben können, wie es ihm sein jeweiliger Gesundheitszustand erlaubt habe. Der Beklagte wies den Widerspruch mit. Bescheid vom 28.09.1995 zurück.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 13.02.1997 im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der VB sei durch die Schädigung in seiner beruflichen Tätigkeit nicht beeinträchtigt gewesen.
Im anschließenden Berufungsverfahren hat die Klägerin vorgetragen, der VB sei wegen der Schädigungsfolge in seiner Tätigkeit als Photograph nicht konkurrenzfähig gewesen. Er sei aufgrund der Amputation nicht in der Lage gewesen, sämtliche Aufträge auszuführen. So habe er bei öffentlichen Veranstaltungen nicht photographieren können, weil ...