Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Gerichtliche Kontrolle einer Eingliederungsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Eingliederungsvereinbarung handelt es sich um einen subordinationrechtlichen Vertrag gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X.
2. Die gerichtliche Kontrolle einer Eingliederungsvereinbarung erfolgt auf der Grundlage der Regelungen gemäß §§ 53 ff. SGB X.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.09.2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beziehende Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit einer Eingliederungsvereinbarung, die er am 10.11.2010 mit der Agentur für Arbeit A-Stadt (im Folgenden: Agentur), der Rechtsvorgängerin des Beklagten, abgeschlossen hat.
Der 1958 geborene Kläger hat laut Gutachten des ärztlichen Dienstes der Agentur vom 03.03.2009 ein gesundheitliches Leistungsvermögen von täglich drei bis unter sechs Stunden für überwiegend mittelschwere Tätigkeiten (mit qualitativen Einschränkungen). Die der Leistungsminderung zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen gehen aus den Akten nicht hervor; im Gutachten vom 03.03.2009 sind die Diagnosen geschwärzt.
Die Agentur und der Kläger schlossen am 10.11.2010 eine Eingliederungsvereinbarung mit einer Geltungsdauer bis 09.05.2011 ab. Die Agentur verpflichtete sich zur Unterstützung der Bewerbungsaktivitäten des Klägers durch Übernahme von Bewerbungskosten und zur Förderung einer Arbeitsgelegenheit bei P. e.V. (Verein für soziale Dienstleistungen e.V.) durch Übernahme der Kosten der Maßnahme sowie Zahlung einer Mehraufwandsentschädigung von 1,80 € pro geleisteter Arbeitsstunde. Dem Kläger wurde für die Dauer von sechs Monaten eine Arbeitsgelegenheit über P. e.V. mit der Maßgabe angeboten, dass die Inhalte der Arbeitsgelegenheit, der Arbeitsort und die zeitliche Verteilung der Arbeitszeit zwischen dem Kläger und P. e.V. vereinbart würden. Der Kläger wurde verpflichtet, einen individuellen Beratungstermin bei P. e.V. zu vereinbaren und aktiv in der Arbeitsgelegenheit mitzuwirken. Die Agentur und der Kläger haben die Eingliederungsvereinbarung am 10.11.2010 unterschrieben, wobei der Kläger vorher den Entwurf zwecks Durchsicht mitgenommen hatte.
Mit einem auf den 10.11.2010 datierten Begleitschreiben zur Eingliederungsvereinbarung wurde der Kläger unter Angabe der Adresse des Ansprechpartners aufgefordert, mit P. e.V. einen Termin zu vereinbaren. Die Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung wurde wie folgt beschrieben: Hilfsarbeiter/in ohne nähere Tätigkeitsangabe, Arbeitsgelegenheiten in unterschiedlichen Helferbereichen, wie verwaltend, pflegend oder handwerklich - Angebote nach Eignung; maximal 30 Stunden pro Woche, zunächst für sechs Monate; Teilzeit, Dauer der Tätigkeit von 22.11.2010 bis 21.05.2011.
Der Maßnahmeträger schlug dem Kläger im Gespräch am 17.11.2010 eine Beschäftigung als Lehrersekretär vor, woraufhin sich der Kläger am 14.12.2010 bei der Schulleiterin eines Gymnasiums vorstellte. Abgesprochen wurde eine tägliche Arbeitszeit von drei Stunden/ 15 Stunden wöchentlich mit Beschäftigungsbeginn erst am 01.02.2011, um die Vorbereitungen für den neu einzurichtenden Arbeitsplatz mit PC und Telefon treffen zu können. Mit Datum 17.02.2011 kam zwischen dem Kläger, der Schule und P. e.V. eine Beschäftigungsvereinbarung zustande, wonach der Kläger in der Zeit vom 17.11.2010 bis zum 16.05.2011 wöchentlich 15 Stunden zusätzlich und gemeinnützig als Assistent der Schulleitung mit administrativen Aufgaben beschäftigt werde. Ab dem 28.04.2011 war der Kläger krank geschrieben: die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis Ende Juli 2011.
Am 16.02.2011 hat der Kläger mit dem Ziel der Feststellung der Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er wolle für die Zukunft weitere rechtswidrige Ein-Euro-Jobs verhindern. Aufgrund der Eingliederungsvereinbarung vom 10.11.2010 sei er derzeit in einem Ein-Euro-Job in einem Gymnasium tätig. Dieser öffentlich-rechtliche Vertrag sei gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB X nichtig, weil ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts offensichtlich rechtswidrig und nichtig wäre. Die Vereinbarung sei zudem sittenwidrig, weil sie dem Arbeitslosen sanktionsbewehrte Pflichten auferlege, während die Gegenleistungen der Behörde im Ungewissen blieben. Das Bestimmtheitsgebot sei grob verletzt. Weder sei der Inhalt der Tätigkeit bestimmt noch der Einsatzort noch der zeitliche Umfang noch die sonstigen Rahmenbedingungen hinsichtlich gesundheitlicher Einschränkungen. Weiter hat der Kläger vorgebracht, dass die Eingliederungsvereinbarung auf einer von der Agentur im Vorfeld begangenen Straftat beruhe, weil sie sich auf Erkenntnisse des medizinischen Gutachtens vom 03.03.2009 stütze und damit ein Bruch der ärztlichen Schweigepflicht im Spiel sei. Die Weitergab...