Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB 6. Syndikusanwalt. Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Zahlung der "einkommensbezogenen Pflichtbeiträge" iS des § 231 Abs 4b S 4 SGB 6

 

Orientierungssatz

Die Tatbestandsmerkmale "einkommensbezogene Pflichtbeiträge an ein berufsständisches Versorgungswerk gezahlt wurden" in § 231 Abs 4b S 4 SGB 6 sind so auszulegen, dass es für den Zahlungszeitpunkt auf den Beschäftigungszeitpunkt (Zeitpunkt der Beitragszahlung) ankommt, nicht aber auf den des Befreiungsantrags. Die Beiträge müssen sich daher zum Zeitpunkt des Antrags nicht mehr beim Versorgungswerk befinden.

 

Leitsatz (amtlich)

Zur rückwirkenden Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB VI - Syndikusanwalt - und Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Zahlung der "einkommensbezogenen Pflichtbeiträge" iS des § 231 Abs 4b S 4 SGB VI.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27.09.2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in der Berufungsinstanz.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die rückwirkende Befreiung der Klägerin als Syndikusanwältin von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung in der Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2014 nach § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI.

Die 1971 geborene Klägerin ist Volljuristin. Sie begann am 15.03.2004 eine Tätigkeit als Bereichsleiterin Legal Affairs bei der F. GmbH.

Am 05.03.2014 beantragte sie die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI für die o.g. Tätigkeit. Der Antrag war mit Bescheid vom 30.04.2014 abgelehnt und der Widerspruch mit Bescheid vom 30.03.2015 zurückgewiesen worden. Das Klageverfahren zum Sozialgericht München (S 30 R 848/15) war wegen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte zum Ruhen gebracht worden. Daneben existiert auch noch ein Befreiungsbescheid vom 29.10.2001 hinsichtlich einer Tätigkeit der Klägerin als Rechtsanwältin.

Am 07.03.2016, Eingang bei der Beklagten am 09.03.2016, beantragte die Klägerin die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB VI sowie die Erstattung zu Unrecht gezahlter Pflicht-beiträge an die berufsständische Versorgungseinrichtung für Syndikusanwälte auch für Zeiten vor dem 01.04.2014. Sie sei seit 11.06.2001 Mitglied der Rechtsanwalts- sowie der Versorgungskammer. Die Rechtsanwaltskammer München erteilte mit Bescheid vom 02.08.2016 antragsgemäß die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwältin.

Die Beklagte befreite die Klägerin mit Bescheiden vom 05.04.2017 für die Zeit vom 01.04.2014 bis 21.09.2016 sowie vom 15.03.2004 bis 31.12.2010 für ihre Beschäftigung bei der F. GmbH.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 05.04.2017 wurde jedoch die rückwirkende Befreiung für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2014 abgelehnt, da die Klägerin in dieser Zeit keine einkommensbezogenen Pflichtbeiträge an das berufsständische Versorgungswerk gezahlt habe, so dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs. 4b SGB VI nicht vorlägen.

In ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe einkommensbezogene Pflichtbeiträge für den streitigen Zeitraum gezahlt. Diese seien damals an die bayerische Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung (Versorgungskammer) gezahlt worden, bei der sie auch kraft Gesetzes Pflichtmitglied sei. Die Höhe der Beiträge sei aus ihrem Gehalt aus der Angestelltentätigkeit bezahlt worden. Allerdings seien die ursprünglich an die Versorgungskammer gezahlten Pflichtbeiträge aufgrund der Entscheidung des Bundessozialgerichts zur Befreiung von angestellten Rechtsanwälten von ihrem Arbeitgeber von der Versorgungskammer zurückgefordert worden und an die Rentenversicherung überwiesen worden. Dies auch, weil ihre Klage gegen den ursprünglichen Ablehnungsbescheid keine aufschiebende Wirkung entfaltete. Ihrer Meinung nach komme es bei der Anwendung des § 231 Abs. 4b Satz 4 SGB IV alleine auf den Zahlungszeitpunkt der Beiträge an und nicht darauf, wann der Antrag auf Befreiung gestellt werde. Sie verwies auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BvErfG) vom 19.07.2016, 1 BvR 2584/14.

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 09.11.2017 zurückgewiesen. Die Beklagte führte aus, dass die Bayerische Versorgungskammer für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.03.2014 die Zahlung einkommensbezogener Pflichtbeiträge nicht ausdrücklich bestätigt habe. Außerdem habe die Klägerin in dem zu beurteilenden Zeitraum gleichzeitig Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet, was den Schluss rechtfertige, dass zur berufsständischen Versorgungseinrichtung lediglich geminderte Beiträge entrichtet worden seien. Diese Annahme werde durch die im Widerspruchsverfahren eingereichte Beitragskontoübersicht sowie die eigenen Ausführungen der Klägerin ...

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