Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Befreiung von der Versicherungspflicht. Beantragung. rückwirkende Aufhebung des Verwaltungsakts. atypischer Fall
Orientierungssatz
1. Die Befreiungen nach § 3 ALG stehen immer in Abhängigkeit zum Befreiungsgrund und müssen auch bei Beendigung des Befreiungsgrundes und dessen späteren Wiedereintretens neu beantragt werden. Der Grundsatz, dass Befreiung nur auf Antrag ausgesprochen wird, rechtfertigt es daher nicht, allein auf das objektive Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen abzustellen.
2. Aus der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 34 Abs 2 S 3 ALG kann nichts anderes abgeleitet werden (vgl BSG vom 11.12.2002 - B 10 LW 14/01 R = SozR 3-5868 § 85 Nr 8 und vom 17.8.2000 - B 10 LW 22/99 R = SozR 3-5868 § 3 Nr 3).
3. Das Wort "soll" im Zusammenhang mit § 48 Abs 1 S 2 SGB 10 bedeutet, dass der Leistungsträger in der Regel den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben muss, ihm in atypischen Fällen aber ein Ermessensspielraum zusteht und er von der rückwirkenden Aufhebung absehen darf. Ein atypischer Fall ist zum Beispiel dann anzunehmen, wenn die Umstände des Einzelfalles in Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Nachteile signifikant von den Normalfällen abweichen und so eine unverhältnismäßige Härte für den Betroffenen darstellen würde.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20. April 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der Zeit vom 01.04. bis 31.10.2001.
Die ... 1957 geborene Klägerin ist seit August 1977 mit dem Landwirt K-H S verheiratet.
Mit Bescheid vom 01.02.1995 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin als Landwirtsehegattin ab 01.01.1995 fest. Der beantragte Beitragszuschuss wurde bewilligt.
Am 29.12.1999 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 3 ALG wegen berücksichtigungsfähiger Rentenversicherungszeiten. Sie gab an, ihre Schwiegermutter zu pflegen. Die AOK Bayern Pflegekasse bestätigte Rentenversicherungsbeiträge für die Klägerin ab 01.04.1995 auf Grund der Pflege.
Mit Bescheid vom 29.02.2000 wurde die Klägerin für die Zeit ab 29.12.1999 von der Versicherungspflicht befreit, so dass ab 01.01.2000 Beiträge nicht mehr zu entrichten waren. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht ende, sobald wegen der Beendigung der Pflegetätigkeit bzw. dem Tod der pflegebedürftigen Person keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung mehr bestehe. Die Klägerin wurde gebeten, sobald der genannte Befreiungsgrund wegfalle, diese Tatsache unverzüglich mitzuteilen. Dadurch werde vermieden, dass eventuell ein erneuter Befreiungsantrag erst in die Zukunft wirke und für die dazwischen liegende Zeit auf Grund kraft Gesetzes eingetretener Versicherungspflicht Beiträge zu entrichten seien. Die Überprüfung im November 2000 ergab die weiter bestehende ununterbrochene Pflege durch die Klägerin.
Eine Überprüfung im November 2001 ergab, dass die Pflegebedürftige am 19.01.2001 verstorben ist. Die Klägerin beantragte im Schreiben vom 10.12.2001 die Befreiung von der Versicherungspflicht, da sie in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 01.04.2001 auf Grund einer Tätigkeit versicherungspflichtig sei.
Mit Bescheid vom 10.02.2002 stellte die Beklagte fest, die Befreiung von der Versicherungspflicht habe mit Wirkung vom 20.01.2001 geendet, deshalb werde der Bescheid vom 29.02.2000 mit Wirkung ab 20.01.2001 aufgehoben. Für die Zeit vom 01.01.2001 bis 31.12.2001 wurden Beiträge in Höhe von 2.122,92 EUR gefordert.
Mit Bescheid vom 11.02.2002 sprach die Beklagte eine Befreiung für die Zeit ab 24.12.2001 wegen der versicherungspflichtigen Beschäftigung aus, so dass ab 01.01.2002 Beiträge nicht zu entrichten seien.
Ein weiterer Bescheid erging am 18.02.2002. Darin wurde festgestellt, dass wegen regelmäßigen Erwerbseinkommens der Klägerin ab 01.01.2002 keine Beitragspflicht mehr bestehe. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen, da sie mehr als ein Siebtel der Bezugsgröße verdiene.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, sie sei bis 19.01.2001 wegen Pflege ihrer Schwiegermutter von der Versicherungspflicht befreit gewesen. Ab 01.04.2001 habe sie eine abhängige Beschäftigung aufgenommen, und da sie in dieser Beschäftigung über die Versicherungspflichtgrenze hinaus verdient habe, stand für sie fest, dass keine Beitragspflicht in die Landwirtschaftliche Alterskasse bestehe. Den Befreiungsantrag habe sie im Rahmen der Überprüfung durch die Beklagte rein vorsorglich ausgefüllt.
Ab 24.04.2002 erging ein weiterer Bescheid der Beklagten mit der Maßgabe, die Versicherungspflicht ende wegen des Unterschreitens der Mindestgröße des landwirtschaftlichen...