Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung. Verletztenrente. MdE. Feststellung. mehrere Versicherungsfälle. Vorschaden. Berücksichtigung

 

Orientierungssatz

Bei mehreren Versicherungsfällen ist jede MdE für sich festzustellen, für jeden Versicherungsfall ist gesondert Rente zu zahlen, auch bei mehrfacher Verletzung desselben Körperteils (BSG vom 14.11.1984 - 9b RU 58/83 = SozR 2200 § 581 Nr 21).

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Gewährung von Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall.

Dem Kläger wurde am 21.06.1990 auf dem Weg zur Arbeitsstätte mit dem Pkw innerhalb A. durch einen von rechts einfahrenden Pkw die Vorfahrt genommen. Der Kläger konnte noch bremsen, aber nicht verhindern, daß es zum Auffahrunfall kam. Er war ordnungsgemäß angeschnallt und das Fahrzeug mit Kopfstützen versehen. An seinem Pkw wurde durch den Unfall die gesamte Frontpartie eingedrückt.

Am selben Tag suchte der Kläger seinen behandelnden Arzt Dr. R. auf, der eine posttraumatische cervikale Dorsalgie diagnostizierte und den Kläger zunächst für die Zeit vom 21. bis 30.06.1990 krank schrieb. Angeblich mit Wissen und Einverständnis des Arztes fuhr der Kläger am Abend desselben Tages mit dem Pkw nach Wien und hielt dort ein dreitägiges Vortragsseminar ab. Dabei seien ab dem Abend des Ankunftstages erhebliche Kopf- und Nackenschmerzen aufgetreten.

Vom 13. bis 31.07.1990 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der W-Klinik S.. Nach dem Bericht der Klinik vom 05.02.1991 wurde am Aufnahmetag ein extremer Hartspann der Halswirbelsäulenmuskulatur festgestellt, klinisch habe ein deutlicher Hinweis auf eine Blockierung der Halswirbelsäule im Bereich c1/c2 bestanden. Nach der von Dr. R. nach dem Unfall angefertigten Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule habe eine Fraktur ausgeschlossen werden können. Am 31.07.1990 sei der Kläger praktisch beschwerdefrei entlassen worden.

Die Beklagte holte zunächst ein Rentengutachten von dem Chirurgen Prof. Dr. S., Chirurgische Klinik rechts der I. der Technischen Universität M. vom 26.10.1992 ein. Danach haben beim Kläger bereits vor dem Unfall degenerative Veränderungen der mittleren unteren Halswirbelsäule bestanden. Eine diskoligamentäre Läsion oder eine Verletzung durch den Unfall seien eindeutig auszuschließen. Es könne somit davon ausgegangen werden, daß bei dem Unfall eine vorbestehende degenerativ veränderte Wirbelsäule traumatisiert worden sei. Die von dem Versicherten geäußerten Beschwerden seien durchaus glaubbar, die Beweglichkeit sei erheblich eingeschränkt, die psychischen Veränderungen seien bei der Beurteilung mit zu berücksichtigen. Die Erwerbsfähigkeit werde durch die Unfallfolgen jetzt noch um 20 v.H. gemindert.

Die Beklagte holte dazu eine gutachtliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. G., M., vom 03.05.1993 ein, die ohne Untersuchung des Klägers und ohne Röntgenaufnahmen, jedoch mit Hilfe der Röntgenbeschreibungen gefertigt wurde. Darin ist ausgeführt, nach den Röntgenbeschreibungen und dem CT hätten schon zum Unfallzeitpunkt erhebliche degenerative Veränderungen an der gesamten Halswirbelsäule mit einer stärkeren Funktionseinschränkung bestanden. Diese erheblich vorerkrankte Wirbelsäule sei durch den Verkehrsunfall leicht zusätzlich lädiert worden. Ausgehend von dem angenommenen Unfallablauf und den in der Folgezeit festzustellenden gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers ging der Sachverständige von einer einfachen Distorsion der Halswirbelsäule aus, die angesichts der erheblich vorerkrankten Halswirbelsäule eine Arbeitsunfähigkeit bis 07.08.1990 bedingt habe. Über diesen Zeitraum hinaus könnten keine nennenswerten Unfallfolgen mehr angenommen werden, auf keinen Fall eine Schädigungsfolge in rentenberechtigendem Grade. Die Befunde, wie sie im Gutachten des Prof. Dr. S. dargestellt würden, seien durchwegs bereits Folge des erheblichen Vorschadens. Es seien keinerlei traumatisch bedingte Residuen mehr vorhanden. Der Gutachter trenne also Unfallfolge und unfallfremdes Krankheitsbild nicht.

Mit Bescheid vom 25.05.1993 lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente ab, weil der Arbeitsunfall eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus nicht hinterlassen habe. Den anschließenden Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.1993 als unbegründet zurück.

Die zunächst zum Sozialgericht München erhobene Klage hat dieses Sozialgericht mit Beschluß vom 21.10.1994 an das Sozialgericht Augsburg verwiesen.

Dieses hat die Röntgenaufnahmen des Klinikums rechts der I. M. beigezogen und ein Gutachten von dem Chirurgen Dr. N., B., vom 09.10.1995 eingeholt. Der Sachverständige hat anhand der Angaben des Klägers das Unfallgeschehen in den Einzelheiten ebenso wiedergegeben wie die Beschwerden des Klägers und sein Verhalten in den darauf folgenden Tagen. Dem Sachverständigen haben auch weitere medizinische Befunde über den Kläger aus der Zeit vor dem Unfall sowie ein Gutachten des Prof. Dr. W., ...

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