Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Relevanz einer psychischen Erkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.

 

Orientierungssatz

Psychische Erkrankungen werden regelmäßig erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (vgl BSG vom 12.9.1990 - 5 RJ 88/89 sowie vom 29.3.2006 - B 13 RJ 31/05 R = BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr 2, LSG München vom 21.3.2018 - L 13 R 211/16, vom 15.11.2017 - L 19 R 66/15 sowie vom 21.3.2012 - L 19 R 35/08 und LSG Stuttgart vom 22.9.2016 - L 7 R 2329/15, vom 25.5.2016 - L 5 R 4194/13 sowie vom 27.4.2016 - L 5 R 459/15).

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.05.2017 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2016 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der 1965 geborene Kläger erlernte von August 1983 bis Februar 1986 den Beruf eines Kraftfahrzeugmechanikers. Der Kläger war nach seinen Angaben bis zum Jahr 2003 in diesem Bereich mit angelernten Tätigkeiten beschäftigt. Seither ist er arbeitslos. Zuletzt hat er nach den vorliegenden Unterlagen bis Mai 2016 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezogen. Seither übt er eine geringfügige Beschäftigung aus - zumindest zeitweilig wohl als Parkplatzreiniger.

Zur Beurteilung der Einsatzmöglichkeiten des Klägers im Erwerbsleben ließ die Agentur für Arbeit A-Stadt am 27.07.2015 durch Dr. J. und am 04.07.2016 durch Herrn K. Gutachten nach Aktenlage erstellen. Während Dr. J. im Gefolge einer Thrombose am rechten Bein (2/2015) zu einer mehrere Monate eingeschränkten Einsatzfähigkeit des Klägers von täglich weniger als drei Stunden gekommen war, hielt ihn Herr K. - wieder - für vollschichtig einsatzfähig ohne hohe Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und die soziale Kompetenz sowie ohne Nachtschicht, ohne unregelmäßige Arbeitszeiten, ohne häufiges Heben und Tragen, ohne hohe Verletzungsgefahr, ohne Hitzearbeit, ohne inhalative Belastungen und ohne Einwirkung von Staub, Rauch, Gasen oder Dämpfen.

Am 31.05.2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, sich seit Jahresbeginn wegen Depressionen und Panikangst für erwerbsgemindert anzusehen.

Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger am 28.07.2016 internistisch durch Dr. S. und psychiatrisch durch Dr. M. untersucht. Zusammengefasst wurden dabei folgende Gesundheitsstörungen beschrieben:

1. Zustand nach Lungenembolie 2/2015 mit blutverdünnender Therapie.

2. Tiefe Beinvenenthrombose rechter Unterschenkel mit leichtem postthrombotischem Syndrom.

3. Asthmoide Bronchitis bei Pollenallergien.

4. Kontrollbedürftige Nierenfunktionsstörung mit vermehrter Eiweißausscheidung bei Pyelonephritis 1979.

5. Rezidivierende Tachykardien, teilweise Überlagerung mit Panikattacken.

6. Arterielle Hypertonie.

7. Dysthymia.

8. Kombinierte Persönlichkeitsstörung.

Der Kläger sei als Kfz-Schlosser nicht mehr einsatzfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er leichte Tätigkeiten täglich sechs Stunden und mehr verrichten. Es müsse sich um Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, Klettern, Steigen und Überkopfarbeiten, ohne Exposition gegenüber inhalativen Reizstoffen, allergisierenden Stoffen, Nässe, Kälte oder starken Temperaturschwankungen sowie ohne erhöhte psychische Belastung handeln. Zum Tagesablauf wurde ausgeführt, dass der Kläger gegen 6.45 Uhr aufstehe, die Kinder zur Schule fahre und sie auch wieder abhole, E-Bike fahre und mit dem Hund spazieren gehe, fernsehe, am PC etwas mache und Freunde und Bekannte treffe. Er mache auch Einkaufen, Haushalt, Essensvorbereitung und fahre die Frau ins Nebengewerbe. Er leide seit seiner Kindheit durchgängig unter einer Ängstlichkeit mit Vermeidungsverhalten und habe Angst, dass seinen Kindern etwas passieren könne.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 02.08.2016 unter Bezugnahme auf die vorliegenden Gutachten eine Rentengewährung ab und verwies den Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Der vom Kläger hiergegen am 26.08.2016 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2016 zurückgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Angaben, dass er aufgrund nächtlicher Panikattacken erhebliche Schlafstörungen hätte und tagsüber völlig teilnahmslos sei, sowie dass er einer Tätigkeit von dreimal wöchentlich 45 Minuten nachginge, was die Obergrenze seiner Belastung...

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