Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinterbliebenenrentenanspruch: Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe
Leitsatz (amtlich)
Ein besonderer, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstand liegt nicht darin, dass die Hinterbliebene und der Versicherte vor dem Tod des Versicherten schon seit vielen Jahren ununterbrochen in häuslicher und eheähnlicher Gemeinschaft gelebt haben.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Witwenrente.
Die im September 1962 geborene Klägerin schloss am 16. Oktober 2007 die Ehe mit dem im Juni 1948 geborenen Versicherten. Der Versicherte verstarb am 1. November 2007.
Mit Antrag vom 28. Februar 2008 begehrte die Klägerin Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten. In dem Antrag wies die Klägerin darauf hin, sie habe seit Januar 1988 in einer gemeinsamen Wohnung mit dem Versicherten gelebt. Von Januar 1988 bis 1993 habe sie gemeinsam mit dem Versicherten die Stieftochter erzogen. Der Versicherte sei nach einer Tumor-Operation auf eine Rehabilitationsmaßnahme geschickt worden. Die behandelnden Ärzte seien nicht von einer begrenzten Lebensprognose ausgegangen. Der Versicherte sei an einer Lungenembolie gestorben. Diesen überraschenden Tod habe sie noch nicht überwunden. Sie sei im Januar 1988 aus dem R. zum Versicherten gezogen, weil sie heiraten wollten. Er habe nach dem Tod seiner Frau eine achtjährige Tochter allein erzogen. Sie habe die Erziehung der Tochter mit übernommen. Daneben sei sie berufstätig gewesen. Die Tochter sei sehr eifersüchtig gewesen. Aus Rücksicht auf sie sei die Hochzeit zunächst verschoben worden. In der Pubertät habe die Tochter einen Selbstmordversuch unternommen. Dies habe der Versicherte nicht überwinden können, weshalb die Hochzeit weiter verschoben worden sei. Sie sei selber längere Zeit krank gewesen, dann sei ihre Schwägerin erkrankt, ihrer Schwiegermutter hätten beide Beine abgenommen werden müssen. Im Jahr 2003 sei der Versicherte aufgrund eines Morbus Meniere gestürzt. Seitdem sei er sehr kränklich gewesen. Auch seien die Schwiegereltern, die Schwester und die Mutter verstorben. An Hochzeit sei gefühls- und zeitmäßig nicht zu denken gewesen. Mitte 2007 sei der Versicherte operiert worden. Es habe ihn sehr bedrückt, wenn sie ständig als Freundin, Partnerin oder Lebensgefährtin angeredet worden sei. Bei seinem Krankenhausaufenthalt im Oktober habe der Versicherte sie gebeten, alles für die Hochzeit vorzubereiten. Er habe neue Hoffnung geschöpft gehabt und habe ihr das Gefühl geben wollen, als seine rechtmäßige Ehefrau anerkannt zu sein. Die Ärzte und eine zugesagte Wiedereingliederungsmaßnahme seines Arbeitgebers hätten die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft verstärkt. Der überraschende Tod ihres Ehemannes habe sie in eine tiefe Depression geworfen. Sie hätten sich immer als Ehepaar gesehen und auch so gelebt. Eine frühere Heirat sei an den geschilderten Umständen gescheitert.
Die Beklagte zog daraufhin Befundberichte der Klinik St. I. über einen stationären Aufenthalt des Versicherten vom 25. bis 27. Oktober 2007 nebst einem Befundbericht des einweisenden Arztes vom E., A-Stadt, eine Leistungsübersicht der Techniker Krankenkasse für den Versicherten und einen Befundbericht des Klinikums D., A-Stadt vom 12. November 2007 bei. Der medizinische Dienst der Beklagten führte dazu aus, dass zum Zeitpunkt der Hochzeit beim Versicherten bereits eine Palliativsituation bei fortgeschrittenem malignen Tumorleiden bestanden habe. Es sei absehbar gewesen, dass die vorhandene Krankheit zum Tode führen würde.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 21. August 2008 den Rentenantrag ab. Die Ehe habe weniger als ein Jahr gedauert. Die dargelegten Gründe seien nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung, dass eine Versorgungsehe vorliege, zu widerlegen.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs wurde vorgetragen, die Klägerin und der Versicherte seien zum Zeitpunkt der Eheschließung davon ausgegangen, dass es sich nicht um eine tödlich verlaufende Erkrankung handeln würde. Die genehmigte Reha-Maßnahme habe Auftrieb gegeben. Man habe sich eine Stärkung des Gesundheitszustandes des Versicherten davon versprochen. Im ärztlichen Entlassungsbericht vom 31. Oktober 2007 sei vermerkt, dass für die endgültige Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit der weitere Krankheitsverlauf abzuwarten bleibe. Nach Abschluss der laufenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sei ggf. eine erneute Beurteilung der Leistungsfähigkeit erforderlich. Nach Abschluss der Anschlussheilbehandlung sollte eine weitere Vorstellung des Versicherten erfolgen, um zu entscheiden, ob und wann eine Chemotherapie durchgeführt werde. Der Optimismus des Versicherten sei erst nach Abbruch der Reha-Maßnahme verschwunden....