Entscheidungsstichwort (Thema)
Hilfsmittel. Funktürklingel
Leitsatz (redaktionell)
1. Es sind nur solche Gegenstände als Hilfsmittel zu gewähren, die spezifisch der Bekämpfung einer Krankheit oder dem Ausgleich einer Behinderung dienen, sodass das, was regelmäßig auch von Gesunden benutzt wird, auch bei hohen Kosten nicht in die Leistungspflicht der Krankenversicherung fällt.
2. Funktürklingeln mit optischen Signalgebern sind den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens zuzuordnen, da sie weder allein dazu entwickelt sind noch im Gebrauch allein dazu dienen, Hörgeschädigten durch akustische Signale mitzuteilen, dass jemand an der Tür Einlass begehrt.
Normenkette
SGB V § 33 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. September 2007 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 10. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2005 abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt wegen Taubheit die Versorgung mit einer optischen Türklingel.
1. Der 1978 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger leidet seit seinem vierten Lebensjahr an vollständiger Taubheit. Mit Bescheid vom 10.02.2005/Widerspruchsbescheid vom 19.09.2005 lehnte es die Beklagte ab, den Kläger gemäß ärztlicher Versorgung des Dr. K. vom 01.07.2005 mit einer Klingel-Lichtsignalanlage von zum Preis von 469,20 Euro gemäß Kostenvoranschlag vom 25.01.2005 der Firma ABELE-OPTIK zu versorgen. Die optische Türklingel zähle nicht zu den Hilfsmitteln der gesetzlichen Krankenversicherung, weil sie mit dem Gebäude fest verbunden werde und dazu diene, die Umwelt des Klägers and seine individuellen Bedürfnisse anzupassen. Die passive Erreichbarkeit herzustellen sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Argumentation des Klägers, die Lichtsignalanlage diene dem Ausgleich der Taubheit in Bezug auf sein Grundbedürfnis, Besucher an der Tür empfangen zu können, folgte die Beklagte nicht.
2. Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben und beantragt, die Beklagte zur Kostenübernahme einer mobilen Lichtsignalanlage einschl. Signalgeber zu verurteilen. Die Lichtsignalanlage sei im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen aufgeführt. Als Gehörloser sei er außerstande, akustische Signale wie die einer Türklingel wahr zu nehmen. Die Signalanlage sei kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, weil sie dem Ausgleich der Folgen seiner Behinderung diene. Die Anlage sei auch kein fest eingebautes Gerät, sondern sie könne bei Wohnungswechsel auch mitgenommen werden.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arbeitsmediziners Dr. H. (26.02.2006) eingeholt. Dieser hat angegeben, die Lichtsignalanlage sei im Hilfsmittelverzeichnis gelistet und zudem festgestellt, dass Signalgeber sowie -empfänger in jede beliebige Steckdose eingesteckt werden könnten, also nicht fest eingebaut seien. Die Anlage ermögliche das Teilnehmen am täglichen Leben, falls ein Besucher oder ein Postbote Einlass in die Wohnung begehrten. Sie stelle die Information und Kommunikation mit anderen Personen sicher und verhindere Vereinsamung.
Die Beklagte hat erwidert, die Signalanlage sei kein Hilfsmittel, weil sie auch in der begutachteten Ausführung fest mit dem betroffenen Wohngebäude verbunden werde. Die begehrte Versorgung sei allein durch die individuelle Wohnsituation des Klägers bedingt, die aber nicht durch die gesetzlichen Krankenkassen anzupassen sei. Die Beigeladene hat die Auffassung vertreten, die streitige Klingel sei als Hilfsmittel von der Beklagten zu übernehmen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, nach einem Umzug benötige er nur zwei Signalgeber; diese seien wie die gesamte begehrte Anlage nicht fest zu montieren, sondern seien durchaus einer Befestigung mit Klebestreifen zugänglich.
Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, die Kosten einer mobilen Lichtanlage mit zwei Signalgebern zu übernehmen. Es handele sich um ein Hilfsmittel, das eine Behinderung im Bereich der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens ausgleiche. Der Kläger sei darauf angewiesen, im Falle von Besuch oder von persönlicher Nachrichtenübermittlung ein Klingeln an seiner Wohnungstüre wahrzunehmen. Dies sei ihm aber nur durch optische, nicht aber durch die üblichen akustischen Signale einer Klingel möglich. Optische Klingeln seien keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, weil sie nur bei Hörgeschädigten Einsatz fänden. Die Anlage könne wegen ihrer einfache Montage auch in anderweitige Wohnungen mitgenommen werden. Die Berufung wurde nicht zugelassen.
3. Auf Beschwerde der Beklagten hat der Senat die Berufung zugelassen, die die Beklagte damit begründet hatte, in einem Urteil vom 17.09.1986 habe das BSG festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Klingelleuchte für Schwerhörige ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung se...