Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsrecht: Feststellung von Schädigungsfolgen aus einer Kriegsverletzung. Verschlimmerungsantrag bei Veränderung des Gesundheitszustandes. Zulässigkeit des Widerrufs eines Einverständnisses in die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Zulässigkeit eines bedingt eingelegten Befangenheitsantrags
Leitsatz (amtlich)
1. Als bei § 48 SGB X beachtliche Verschlimmerung kommen nur die Verschlimmerung anerkannter Schädigungsfolgen und das Auftreten weiterer Schädigungsfolgen nach der letzten bestandskräftigen Feststellung in Betracht.
2. Nach Eingang der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist ein Widerruf des Einverständnisses nicht mehr möglich. Nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage muss das Einverständnis erneut erklärt werden.
3. Ein Befangenheitsantrag unter einer Bedingung ist unzulässig, auch wenn es sich um eine innerprozessuale Bedingung handelt.
Orientierungssatz
Wurde aufgrund eines schädigenden Ereignisses (hier: Kriegsverletzung) die Taubheit auf einem Ohr als Schädigungsfolge anerkannt, so führt eine später eintretende Verschlechterung des Hörvermögens am anderen Ohr (hier: Altersschwerhörigkeit) nicht zur Feststellung einer Verschlimmerung der Schädigungsfolgen und damit auch nicht zur Neufeststellung eines Grades der Schädigung.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. September 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger wegen einer Verschlimmerung Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einem höheren Grad der Schädigung (GdS) als bisher zu gewähren ist.
Der 1926 geborene Kläger wurde am 10.02.1945 im Rahmen seines Wehrdienstes durch Granatsplitter verletzt. Die Verletzung betraf das Gesicht, den rechten Oberarm und die rechte Brustseite; er verlor dabei das rechte Auge.
Mit Bescheid vom 22.08.1952 wurden als kriegsbedingte Körperschäden anerkannt:
1. Verlust des rechten Auges durch Splitterverletzung,
2. bohnengroßer Stecksplitter in der Oberarmmuskulatur,
3. Schwerhörigkeit rechts geringen Grades.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE - heutige Bezeichnung: GdS) wurde ab dem 01.02.1947 mit 40 v.H. eingeschätzt.
Mit Bescheid vom 05.06.1956 wurde die Grundrente nach einer MdE in Höhe von 50 v.H. festgesetzt, nachdem bei einer versorgungsärztlichen Begutachtung die Schwerhörigkeit rechts als hochgradig angesehen und mit einer Einzel-MdE von 20 v.H. beurteilt worden war. Bei der Begutachtung war die Beweglichkeit des rechten Arms in allen Gelenken frei gewesen.
Die Granatsplitter (ein größerer und ein winziger) im Bereich der Schulter wurden bei einer versorgungsärztlichen Begutachtung im Jahre 1963, bei der auch Röntgenaufnahmen angefertigt wurden, als reizlos in den Weichteilen eingewachsen beschrieben.
Im Jahre 1966 gab der Kläger seit fünf Monaten bestehende Schmerzen in der rechten Schulter sowie eine Luxation der Schulter an und stellte einen Antrag auf Neufeststellung wegen Verschlimmerung. Bei versorgungsärztlichen Begutachtungen am 12.10.1966 konnten wesentliche Veränderungen nicht festgestellt werden. Radiologisch ließen sich die Stecksplitter weiterhin nachweisen, wobei am Schultergelenk selbst keine Veränderungen, auch keine Arthrose, erkennbar waren. Eine Neufeststellung wurde mit Bescheid vom 24.10.1966 abgelehnt.
Am 30.11.1973 wurde der Kläger wegen der habituellen Schultergelenksluxationen an der rechten Schulter operiert; es erfolgte eine Verkürzung der Bänder, der bohnengroße Granatsplitter wurde entfernt.
Mit Bescheid vom 19.12.1973 wurde die Anerkennung der habituellen Schultergelenksluxation rechts als Schädigungsfolge abgelehnt.
Mit Bescheid vom 20.01.1975 wurden die anerkannten Schädigungsfolgen wie folgt beschrieben:
1. Verlust des rechten Auges mit plastischem Ersatz des Unterlides, Verschluss des Tränenganges, dadurch bedingte Reizung der Augenhöhlenschleimhaut,
2. kleinerer, reizlos in den Weichteilen der rechten Schulter eingeheilter Granatsplitter ohne Funktionsstörung,
3. hochgradige Schwerhörigkeit rechts.
Die MdE wurde wie bisher mit 50 v.H. festgestellt.
Bei einer versorgungsärztlichen Begutachtung am 26.06.1990 gab der Kläger an, sich nach dem Krieg wieder voll leistungsfähig gefühlt zu haben und fünf Jahre aktiv Leistungssport betrieben zu haben. Dabei habe er von Seiten seiner Schulter eigentlich keine Beschwerden gehabt. Erst nach Beendigung der sportlichen Karriere hätten die Beschwerden begonnen; im Laufe der Jahre habe er sich sechsmal die Schulter ausgerenkt. Die Ärzte hätten ihm gesagt, dass er eine zu flache Schulterpfanne habe, was er aber nicht glaube. Nach der Schulteroperation, bei der der große Splitter entfernt worden sei, habe er keine Schulterluxationen mehr gehabt. Ein Zusammenhang der Luxationsneigung im Bereich der rechten Schulter mit den reizlos in den Weichteilen eingeheilten Granatsplittern sei nicht zu e...